Wenn die Natur als Pate fungiert
Bei Lampen macht sich ein neuer Trend breit: vegetabile Formen mutieren zum Highlight, aus der Natur entlehnt, machen sie sich in jedem Ambiente gut und begeistern.
Von Ursula Philadelphy
Ingo Maurer war einer der Ersten, der aus der Natur Kleinigkeiten entlehnte, Insekten um Glühbirnen schwirren ließ und damit eine Prise Witz in ein bis dahin trockenes Interieurthema brachte. Nach all der Geradlinigkeit der letzten Jahre, in denen man der Reduktion skandinavischer Designer huldigte, tauchen nun vermehrt die Formen der Natur im Design auf. Den Beginn machten Teppiche und Vorhänge, es folgten Gartenmöbel mit filigran-vegetabilen Formen und schließlich auch Lampen und Kerzenständer, die sich manchmal zu ganzen Bäumen verästelten.
Die aktuell sicher schönsten Exemplare stammen von der französischen Künstlerin und Designerin Joy de Rohan Chabot. Ihre poetischen Bronzeskulpturen demonstrieren eine überaus filigrane Natur. Die Zweige ihrer Bäume werden von Blüten und Blättern, manchmal auch von riesigen Schmetterlingen bedeckt und dazwischen finden sich bemalte, transluzente Gläser für Kerzen. Wundersame Werke für drinnen, aber in lauen Sommernächten auch ein sanfter Lichtschimmer auf Terrasse und Balkon.
Ebenfalls eine eigene, einzigartige visuelle Sprache signalisieren die Arbeiten, mit denen sich das israelische Duo Ayala und Alli Serfaty aus Tel Aviv seit Jahren an der Spitze jener Lichtdesigner hält, die mit ausgefeilter Technologie für Nachhaltigkeit stehen. „Aqua Creations“ – das sind nicht einfach nur Beleuchtungskörper, sondern Kunstwerke, die Licht spenden und der Natur das Wort reden. Da gibt es Lampen, die an die pomponartigen Blütenköpfe von Dahlien erinnern, andere wiederum sehen aus wie ein riesiger Quallenknäuel, der noch dazu ganz unorthodox über die Möbelkante hängt. Auch exotische Blätter, denen die Stengel abhandengekommen sind, schweben als Lichtquellen im Raum und erzeugen ein ganz spezielles Feeling. Nichts für akkurate Menschen, die schon ein eher an der Tischkante abgestelltes Glas Wasser zum Wahnsinn treibt.
Aber auch der Designklassiker von Louis Poulsen, die an eine Artischocke erinnernde Pendelleuchte „PH 50“ aus Aluminium macht 2012 wieder Furore und mit neuen Farben auf sich aufmerksam. Die Palette reicht diesmal von Rot über Mintblau bis Wasabigrün und Schwarz – man hat absolut die Qual der Wahl.
Nicht minder farbenfroh geht es bei Kartell zu. Der italienische Designer Ferruccio Laviani hat die Serie „Bloom“ erweitert. Die glitzernden Blüten aus Polykarbonat und thermoplastischem, durchgefärbtem Technopolymer bestechen nicht mehr nur in Kugelform. Transparent, cremeweiß, lavendel oder minze sind die dezenten Variationen von zarten Blütensträußen. Die Versionen eines verknautschen Hutes, wie sie formal im vergangenen Winter in der Mode en vogue waren, kommen in Schwarz, Rosa und Weiß als Lampenschirm daher. „So edel wie Muranoglas und so ehrfurchtslos wie eine Rockaufführung“, ist der Designer überzeugt. Das technische System ist gleich wie bei den filigranen Kugeln: Die auf der Innenstruktur positionierten Lämpchen verbreiten das Licht durch die Blütenblätter, wodurch der Lichtschein facettenreich reflektiert wird.
Den absoluten Hit hat aber einmal mehr Jeremy Cole gelandet! Nach der atemberaubenden Ästhetik seiner „Aloe“- und „White Flax“-Porzellanwunder hat er weiter experimentiert. Das Ergebnis ist einmal mehr eher eine Lichtskulptur denn eine normale Lampe. Nach Seeigel und Hopfenblüten sind nun die Orchideen an der Reihe und haben gleich den Weg in die Auslage des New Yorker Juweliers Harry Winston an der Fifth Avenue gefunden. Wunderschön auch eine Version, bei der Cole eine Reihe von Porzellanorchideen in kleinen Töpfen auf ein Tablett stellt – eine elegante und üppige Vegetation in Weiß, die einen sanften Lichtschein verbreitet. Die klassische Schönheit einer Orchideenblüte bringt allerdings, so Cole, die Möglichkeiten, mit Porzellan zu arbeiten, an ihre Grenzen. Das dachte man aber auch bei den teilweise über einen Meter langen Blütenblättern von „Aloe“ oder den skulpturalen Elementen von „White Flax“. Man darf also durchaus gespannt sein, was Cole für seine nächsten Entwürfe einfallen wird.