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Geschäft mit der Bärengalle

In China und Vietnam wird Bären brutal Gallensaft abgezapft, weil dieser in der TCM als Heilmittel gilt. Nun bedroht ein Hotelprojekt ein Schutzgebiet für die gequälten Tiere.

Hanoi, Peking –Der Kragenbär ist sicher untergebracht im vietnamesischen Nationalpark Tam Dao. Hinter einem drei Meter hohen elektrischen Zaun schwingt er auf einem zur Schaukel umfunktionierten Autoreifen. Alle Viere hat er von sich gestreckt. Sein Gesichtsausdruck und der glänzende Pelz lassen ihn gesund und entspannt aussehen. Sein früheres Leben verlief hingegen alles andere als friedlich.

„Ursus thibetanus“ hatte es nicht immer so gut im Leben wie jetzt im Rettungszentrum des Nationalparks. Ihm fehlt eine Klaue. Die hat er sich abgekaut während der Jahre, die er in einen engen Käfig gesperrt und mit Drogen vollgepumpt war. Zweimal täglich wurde ihm mit einer Nadel Flüssigkeit aus der Galle entzogen. Laut Tierschützern eine schmerzhafte und erschreckende Prozedur. Der Gallensaft der Bären ist in der traditionellen Medizin seit über 3000 Jahren sehr begehrt. Er soll bei Lebererkrankungen, Verbrennungen, Fieber, inneren Blutungen und Magengeschwüren helfen.

Die Tierschutzorganisation Animals Asia Foundation (AAF) betreibt das Bärenrettungszentrum. Es liegt rund 70 Kilometer nördlich der Hauptstadt Hanoi. Derzeit leben hier 99 Kragen- und Malaienbären. Sie wurden aus illegalen Gallenfarmen befreit oder von Tierhaltern abgegeben. Während es in freier Wildbahn in Vietnam nur noch einige hundert Bären gibt, vegetieren etwa 4000 auf den illegalen Farmen vor sich hin.

Auch in China ist Bärengalle ein begehrtes Wundermittel – dort leben etwa 10.000 der Tiere auf solchen gesetzwidrigen Farmen. Doch nun regt sich Widerstand gegen die brutalen Praktiken an den Tieren. In China wachse der Unmut über das Abzapfen von Gallenflüssigkeit bei lebendigen Bären, wie ein Forscherteam um Qiang Weng von der Universität für Forstwirtschaft in Peking im Fachblatt Nature schreibt.

Die begehrte Substanz ist mittlerweile auch künstlich im Labor herstellbar – viele Reiche wollen dennoch das echte „flüssige Gold“. Für einige Firmen sei das Motivation genug, die Tierquälerei zu unterstützen. Das Forscherteam fordert in seinem Artikel, China müsse Ersatzprodukte stärker bewerben und die Bevölkerung besser aufklären. Außerdem solle ein Tierschutzgesetz erlassen werden, das eventuell sogar die Bärenfarmen verbiete.

In Vietnam gefährdet indessen ein Bauprojekt das erfolgreiche Schutzprogramm für von Gallenfarmen befreite Bären. Eigentlich wollte die Tierschutzorganisation AAF seit September vergangenen Jahres das Schutzgebiet sogar ausbauen und so Platz für weitere 100 Tiere schaffen. Doch nun befürchten Tierschützer das Aus dieser Pläne: In dem Nationalpark soll ein Hotel für Öko-Touristen entstehen.

Im vergangenen Jahr trat ein Gesetz in Kraft, das Öko-Tourismus-Projekte auch in Nationalparks erlaubt. Im April 2011 gründete sich die Baugesellschaft Truong Giang Tam Dao, die so ein Hotel im Nationalpark Tam Dao hochziehen möchte. Nun streiten sich Baugesellschaft und Bärenschutzzentrum um Bauland im Park.

Das vietnamesische Landwirtschaftsministerium habe ihr das Bauland zugewiesen, heißt es bei der Organisation. Nationalparkdirektor Do Dinh Tien habe den Ausbau jedoch gestoppt, sagt AAF-Landeschef Tuan Bendixsen. Der Nationalparkdirektor hatte zuvor beim Ministerium beantragt, dem bauwilligen Unternehmen einen Teil des Grundes zu verpachten – das Land, auf dem auch die AAF bauen möchte.

Nach Ansicht von AAF verfolgt der Parkdirektor damit ganz eigene Interessen: Seine Tochter habe die Baugesellschaft mitbegründet. Der Parkdirektor bestreitet dies. Unter der angeblichen Telefonnummer der Firma erreicht man aber nur einen Supermarkt. Von dem Bauunternehmen habe sie noch nie etwas gehört, sagt dessen Besitzerin.

AAF-Chef Bendixsen sieht nun das gesamte Bärenschutzprogramm gefährdet. Es gebe für die Naturschutzbehörden nicht genug solcher Zentren, um die von Galle-Farmen befreiten Bären unterzubringen. Deshalb müssten sie immer wieder Tiere auf den Farmen zurücklassen.

Die Regierung in Hanoi muss demnächst entscheiden, wer im Recht ist. AAF werden jedoch gute Chancen eingeräumt, sich in diesem Fall gegen das Hotelprojekt durchzusetzen. (APA, dpa)