Sturz des Assad-Regimes würde Libanon massiv destabilisieren
Einfluss der Hisbollah geschwächt – Sunniten als mögliche „Sieger“ – Konflikte programmiert
Beirut – Das Verhältnis des Libanon zu Syrien, wo Präsident Bashar al-Assad versucht, eine Revolution mit Panzern niederzuwalzen, kann durchaus als historisch schwierig bezeichnet werden. Über viele Jahre bestimmte Damaskus maßgeblich die Innenpolitik seines kleinen Nachbarstaates. Ein Rücktritt Assads, wie bereits mehrfach von westlichen Politikern gefordert - oder dessen Sturz - würde vor allem die Zukunft der schiitischen Hisbollah im Libanon ins Ungewisse bringen. Aber auch für die Region als Ganzes hätte ein solches Szenario massive Instabilität zur Folge.
Mitglieder der Hisbollah selbst warnten schon zu Beginn der Proteste gegen Assad vor mehr als einem Jahr, dass eine Destabilisierung Syriens zu einer noch viel gefährlicheren Destabilisierung des Libanon führen könnte. Syriens Botschafter in Beirut, Abdel Karim Ali, sagte damals: „Alles, was Syrien schadet, schadet auch dem Libanon, womöglich in noch größerem Ausmaß.“ Tatsächlich fürchtet die Hisbollah („Partei Gottes“) eine erhebliche Schwächung ihrer Einflusskraft, sollte das Baath-Regime Assads zu Fall gebracht werden. Die schiitisch-religöse Partei und Miliz würde damit sowohl einen Geldgeber als auch Waffenlieferanten verlieren.
Die Hisbollah wurde 1982 nach dem israelischen Einmarsch im Libanon auf Betreiben des iranischen Revolutionsregimes gegründet. Seither benutzt sie neben Syrien auch das Regime des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad als Werkzeug, um seine eigene Rolle in der Region zu stärken. Vor allem im Südlibanon ist die Partei unter Führung von Hassan Nasrallah ein geeignetes Druckmittel gegen Israel.
Ein Sturz von des Baath-Regimes würde daher nicht nur für die Hisbollah den Verlust eines sehr wichtigen Verbündeten bedeuten. Auch für den Iran ginge damit ein Partner verloren und der Einfluss Ahmadinejads in der Region wäre dadurch erheblich geschwächt. „Iran wird Syrien wegen seiner Unterstützung für die antizionistische Front stets beistehen“, erklärte der oberste iranische Führer Ayatolla Ali Khamenei vor einiger Zeit.
Sunniten als mögliche „Sieger“
Als Sieger dieses Szenarios könnte das sunnitische Element im Libanon hervorgehen. Der Entzug der Unterstützung für die Hisbollah würde zwar zu erneuten Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten führen, jedenfalls aber Rückenwind für die sunnitisch dominierte Allianz „Zukunftsbewegung“ und deren Chef Saad Hariri bringen. Die syrische Führung beschuldigt diese, ebenso wie die pro-westliche „Koalition des 14. März“ im Libanon, die Aufstände in Syrien mitfinanziert und sogar gesteuert zu haben. Umgekehrt soll die Hisbollah mittlerweile Waffen für das verbündete Assad-Regime liefern.
Israel hingegen fürchtet nicht die Stärkung der Sunniten. Ganz im Gegenteil geht das südliche Nachbarland von einem dann folgenden Vakuum im Libanon aus, das der Hisbollah noch mehr Freiraum und dem Iran die Chance, den Libanon vollends zu einem iranischen Mittelmeer-Brückenkopf werden zu lassen, bietet. Diese „Warnung“ des israelischen Geheimdienstes scheint weniger real, wenn man bedenkt, dass im Falles eines Sieges für die großteils sunnitischen Aufständischen in Syrien die logistische Transitroute zwischen dem Iran und dem Libanon (für die Hisbollah-Milizen) gekappt werden würde.
Generell ist jedoch nach Ansicht österreichischer Diplomaten der baldige Sturz des Regimes von Bashar al-Assad eher unwahrscheinlich. Er sitze „weiterhin ziemlich fest im Sattel“. Für den Libanon bedeutet dies relative innenpolitische Stabilität. Stabilität, die aber aufgrund der Multikonfessionalität im Lande leicht kippen könnte. Ein neuer Konflikt ist dann vorprogrammiert.
Am heutigen Donnerstag reist Bundespräsident Heinz Fischer nach seinem zweitägigen Staatsbesuch auf der Mittelmeerinsel Malta in den Libanon. In Beirut wird Fischer am Nachmittag von Staatspräsident Michel Sleimane (Suleiman) mit militärischen Ehren empfangen. Begleitet wird das Staatsoberhaupt von Verteidigungsminister Norbert Darabos (S). Bevor Fischer am Freitag die Heimreise antritt, wird er die österreichischen Soldaten der UNIFIL-Mission (United Nations Interim Forces in Lebanon) im Süden des multikonfessionellen Landes besuchen. (APA)