Natur

Mit viel Tatendrang zum Endspurt

Tirols Maturanten bereiten sich auf ihre letzten großen Prüfungen vor. Bei den Schülern dominiert kurz vor dem großen Finale Aufbruchsstimmung, unter die sich auch ein wenig Skepsis und Zukunftsangst mischen.

Von Stefan Bradl

Innsbruck –Gespannt. Gestresst. Schon ein wenig nervös, aber auch erwartungsvoll. Wer Maturanten mitten im Endspurt Richtung Finale nach ihrer Stimmung fragt, bekommt viele ähnliche Antworten. Eine Mischung aus Zuversicht, weil man ja eigentlich gut vorbereitet sei, und der Befürchtung, dass doch nicht alles klappt wie geplant.

„So kurz vor der Reifeprüfung zu stehen, fühlt sich gut an“, meint Caroline Gröller aus Angerberg, die die Handelsakademie (HAK) Wörgl abschließt. „Gleichzeitig ist es sehr viel Stoff, den man in kurzer Zeit wiederholt. Da freue ich mich auf die Erlösung, wenn es vorbei ist.“ Ähnlich das Urteil von Schulkollegin Andrea Mauracher aus Schwoich: „Alle Arbeiten, die man jetzt noch abgibt, sind eine Art Meilenstein. Trotzdem bin ich in Bezug auf die kommenden Prüfungen schon angespannt.“

Eine Situation, die auch Tobias Kunzenmann, Schüler der Klasse 5A-Hochbau der HTL Bau und Kunst in Innsbruck nachvollziehen kann: „Ich hoffe, dass nicht ausgerechnet im Finale etwas schiefgeht. Immerhin habe ich fünf Jahre auf diesen Moment hingearbeitet.“ Froh ist der Innsbrucker jedenfalls, dass er noch nicht im Zentralmaturamodus antreten muss.

Theresa Schilcher, demnächst Ehemalige des Franziskanergymnasiums Hall hat andere Sorgen: „Die Matura stresst mich nicht so sehr wie der Zulassungstest für das Medizinstudium. In die Unterlagen muss ich zwischen den schriftlichen und mündlichen Prüfungen mal reinlesen.“

Dieses „Danach“ ist deutlich präsent in den Klassen, die die TT beim Lokalaugenschein besucht. Von WG-Zimmer-Suche ist die Rede, von Einrückungs- und Aufnahmeprüfungsterminen. Überall ist allerdings auch die Vorfreude auf den Feriensommer zu spüren. Den wollen alle noch genießen, so gut es geht. Dazu gehört traditionell eine Maturareise, an der fast alle Absolventen teilnehmen werden. Ibiza, Gardasee, Kroatien oder Türkei lauten die Ziele, wo man die gemeinsame Schulzeit noch einmal hochleben lassen will, gefolgt von zahlreichen individuellen Urlaubs­plänen.

„Ich bin zuerst mit den Maturakollegen unterwegs, dann mit den Eltern und anschließend mache ich Interrail mit einer Freundin“, skizziert Isabella Traunfellner von der HAK Wörgl. Eine Europareise mit der Bahn hat auch ihre Kollegin Stefanie Lettenbichler vor, andere Maturanten fahren nach Bulgarien, Mallorca oder Kreta.

Ins Ausland lockt aber nicht allein der Urlaub. Sonja Rogl aus der Wildschönau wird für zwei Monate an einer Hotelrezeption in Frankreich arbeiten: „Ich sehe das als gute Ergänzung zu meinem HAK-Abschluss. Ich kann meine Sprachkenntnisse perfektionieren und Praxis sammeln.“

Für noch länger packt Franziskanergymnasiastin Verena Knabl die Koffer. Die Absamerin geht für mindestens ein halbes Jahr als Au-pair nach England. „Mich reizt die Möglichkeit, im Ausland zu leben und mein Englisch zu verbessern. Außerdem muss ich nicht sofort studieren, sondern kann mir mit meiner Entscheidung noch Zeit lassen.“

Ein Aufschub, den der Staat Österreich den männlichen Maturanten automatisch beschert. Sie müssen fast alle zum Präsenz- bzw. Zivildienst, wobei sich die Entscheidung für oder gegen Bundesheer ziemlich die Waage hält.

Johannes Tilg aus Hall hat das Militär gewählt: „Wenn es mir taugt, bewerbe ich mich für einen Auslandseinsatz. Wenn nicht, studiere ich Latein auf Lehramt“, schmunzelt der Gymnasiast. In den Lehrerberuf zieht es mehrere Maturanten, entweder an die Pädagogische Hochschule oder zum Lehramtsstudium an der Universität.

Das Spektrum an Plänen und Vorhaben ist breit gefächert. Vom Physiotherapeuten bis zur Tourismusmanagerin, von der Medizinerin, die auf eine erträgliche Wartezeit zwischen Aufnahmetest und Ergebnis hofft, bis zum Maschinenbauer, der gern mit Grips und Händen arbeitet, werden sich die Absolventen über ganz Österreich zerstreuen.

Nach dem Ferialjob mit einem finanziellen Polster ausgestattet, wird Maximilian Mauracher nach Wien aufbrechen. Er hat sich an der Kunstuni beworben und die Aufnahmeprüfung auch schon bestanden. Treffen könnte der Breitenbacher in der Bundeshauptstadt Alena Jud, allerdings wird sich die Haller Gymnasiastin genau mit dem Stoff beschäftigen, den Mauracher hinter sich lässt: „Ich gehe an die TU und studiere Wirtschaftsmathematik. Ich mag Mathe gern und ich hätte gern etwas Anwendbares.“

Auf viel Praxis hofft auch Tobias Kunzenmann. Er plant den Besuch der FH Kufstein, um dort Facility Management zu lernen. Damit bleibt der HTLer zumindest im Umfeld seiner Schulausbildung, ganz im Gegenteil zu Klassenkollegin Fatma Cevcek: „Ich hatte eigentlich vor, Architektur zu studieren. Aber was man so hört, ist die Konkurrenzsituation wirklich hart.“ Inzwischen bevorzugt sie das Studium der islamischen Theologie, entweder in Istanbul oder in Innsbruck.

Den direkten Weg ins Abenteuer Arbeitswelt gehen nur zwei Maturanten. Die Wildschönauerin Sonja Rogl will ihr HAK-Know-how in der Praxis beweisen, „wahrscheinlich in einer Bank“. Und HTL-Absolventin Phillies Haselwanter startet bei einem Innsbrucker Fensterbau-Unternehmen: „Ich habe meine Diplomarbeit über den Energieausweis geschrieben. Ich habe kein Studium entdeckt, das mich speziell interessieren würde.“

Der Einstieg in die Arbeitswelt war allerdings gar nicht so einfach, waren doch die meisten Firmen nur an Leuten mit Berufserfahrung interessiert. „Da beißt sich die Katze in den Schwanz: Wenn man keinen Job bekommt, weil man keine Erfahrungen hat, kann man auch keine Erfahrungen sammeln, um einen Job zu bekommen“, sagt sie. Und Klassenkamerad Kunzenmann ergänzt: „Es wäre toll, wenn mehr Firmen den Mut hätten, uns eine Chance zu geben. Dann können wir beweisen, dass wir den Anforderungen gewachsen sind.“

So gehen sie also hinaus aus den Schulen, die Maturanten des Jahres 2012. Es überwiegt die Zuversicht, dass man den richtigen Weg findet. Ein wenig Unsicherheit ist dabei, ob man schon die richtigen Entscheidungen trifft. Überdeckt von der Freude über den Abschluss und der Neugier, was nun wartet, draußen in der Welt. Oder wie man es am Franziskanergymnasium Hall frech formuliert: „Es war schon schön, aber es passt, dass es jetzt vorbei ist.“