Breivik-Prozess

Überlebende des Osloer Bombenanschlags im Zeugenstand

Schwer verletzt überlebten sie das Attentat am 22. Juli vergangenen Jahres. Vor Gericht sagten sie auch aus, wie sehr sie noch heute unter ihren Verletzungen leiden.

Oslo – Am Donnerstag berichteten fünf Überlebende des Bombenanschlags im Osloer Regierungsviertel von ihrem Leben nach dem Attentat. Anders Behring Breivik hatte gestanden, am 22. Juli vergangenen Jahres eine 950 Kilogramm schwere Autobombe aus Kunstdünger in der Osloer Innenstadt gezündet zu haben. Acht Menschen starben, mehr als 200 wurden verletzt.

Als die Bombe explodierte, habe er sofort gewusst, dass es ein terroristischer Anschlag war, sagte der 67-jährige Harald Føsker. Er habe in seinem Büro schwer verletzt am Boden gelegen und nicht getraut, sich zu bewegen, falls die Explosion ein Loch in den Boden geschlagen haben sollte. Sein Gesicht wurde schwer verletzt, insgesamt war er zehn Wochen im Krankenhaus. Noch immer leidet er unter starken Kopfschmerzen und Gedächtnisverlust. Seine Sehkraft ist extrem eingeschränkt, berichtete der 67-Jährige. Er arbeitet zwar seit Weihnachten wieder, doch oft ist er krankgeschrieben. Autofahren ist ihm nicht mehr möglich.

Glassplitter im ganzen Körper

Eine 24-Jährige sagte als nächste aus. Die junge Frau saß an der Rezeption in dem Gebäude, vor dem die Autobombe explodierte. Sie erinnere sich nur noch, wie sie die Wachzentrale anrief, als ein Auto ankam und sie das Kennzeichen durchgab. Ihre Kollegin, die neben ihr saß, kam bei dem Attentat ums Leben. Sie selbst wurde schwer verletzt, im ganzen Körper steckten unzählige Glassplitter. Wochenlang kämpften die Ärzte um ihr Leben.

Auch der Vater der 24-Jährigen wurde in den Zeugenstand gerufen. Er habe erst am Abend erfahren, dass seine Tochter noch lebe. Immer wieder kämpfte der Mann mit den Tränen, berichtet Bild Online. „Es war einfach phantastisch, dass sie lebte, mit all diesen Verletzungen, die sie hatte“, zitierte ihn das Nachrichtenportal. Auch sie leide noch immer unter den Folgen der schweren Verletzungen.

Sissel Wilsgård erzählte, wie sie den Tag erlebte. Draußen sei es regnerisch gewesen, sie selbst hätte viel zu tun gehabt. Zwei ihrer Kolleginnen starben durch die Bombe, sagte sie unter Tränen. Sie selbst erlitt schwere Gesichtsverletzungen. Noch immer sei sie krank geschrieben, obwohl sie gerne wieder arbeiten würde. Sie könne nicht mehr so gut lesen.

Das Gefühl der Geborgenheit verloren

Line Benedikte Nersnæs arbeitete bei der Polizei-Behörde des Jusitzministeriums. Am 22. Juli saß sie in ihrem Büro im elften Stock des Gebäudes. Plötzlich gab es einen Knall. Sie fasste sich an den Kopf, bemerkte, dass sie blutete. Was passiert sei, habe sie nicht gewusst. Sie sei auf den Gang gelaufen. Überall seien Trümmer gelegen. Ein Kollege sagte ihr, dass sie verletzt sei. Was er ihr verschwieg: Ein riesiger Splitter eines Fensterrahmen steckte in ihrem Kopf. Gemeinsam bahnten sie sich durch das schwer beschädigte Haus den Weg nach draußen. Erst mit der Zeit seien die Schmerzen gekommen. Sie habe glück gehabt, dass der Splitter nichts ernsthaft verletzt, obwohl er ihr Gesicht durchbohrt hatte.

Nach zehn Tagen kehrte Nersnæs wieder in die Arbeit zurück. Sie sei noch nicht geheilt gewesen. Sie habe die Beschäftigung gebraucht, um sich psychisch zu erholen.

Nersnæs sagte, die Bombe habe ihr Leben auf den Kopf gestellt, berichtet Bild Online. Früher habe sie sich immer geborgen gefühlt. Das sei nun vorbei. Nach der Aussage Nersnæs ist der Verhandlungstag beendet. Wie bereits am Mittwoch, als ein 24-jähriger Überlebender vom Tag des Anschlags und seinen Folgen im Zeugenstand berichtet hatte und zwei weitere Aussagen verlesen worden waren, liefen vielen der 250 Zuschauern im Gerichtssaal immer wieder Tränen über das Gesicht. Einer verfolgte die Schilderungen interessiert, aber emotionslos: der Angeklagte Anders Behring Breivik. (tt.com, dpa)