UNO-Beobachtermission für Syrien kommt schleppend voran
Regimegegner: Über 100 Tote an einem Tag - NATO-Generalsekretär hält Militärintervention für undurchführbar .
New York/Istanbul/Dubai – Die Entsendung der Syrien-Beobachter der Vereinten Nationen kommt nur schleppend voran. Die ersten 100 Experten der vom UNO-Sicherheitsrat beschlossenen 300-Mann-Beobachtermission würden erst in einem Monat in Syrien eintreffen, berichteten Diplomaten am Donnerstag in New York. Derzeit ist nur ein Vorauskommando im Land. Hintergrund sind offenbar technisch-logistische Schwierigkeiten bei der Vorbereitung. Zwei Wochen nach ihrem offiziellen Beginn ist von der Waffenruhe, die der internationale Beauftragte Kofi Annan ausgehandelt hat, nichts mehr zu spüren. Regimegegner berichteten am Donnerstag, am Vortag seien landesweit 102 Menschen getötet worden.
UNO-Untergeneralsekretär Hervé Ladsous (Frankreich) hatte dem Weltsicherheitsrat hinter verschlossenen Türen berichtet, dass monatlich etwa 100 Beobachter entsandt werden könnten. Personen mit entsprechender Qualifikation müssten zunächst von den Entsenderländern ausgesucht und von der UNO auf den Einsatz vorbereitet werden. Sorgen bereite auch die Ausstellung der erforderlichen Visa durch die syrische Regierung. Die Verweigerung eines Visums für einen schwedischen Beobachter war auf heftige Kritik gestoßen.
Annan hatte dem Rat berichtet, dass die Waffenruhe nur dort halte, wo die wenigen Beobachter präsent seien. Kaum seien sie zur nächsten Station unterwegs, greife das Regime wieder an. Allein in der Stadt Hama, wo nach Einbruch der Dunkelheit eine Rakete eingeschlagen sei, wurden nach Oppositionsangaben am Mittwoch 71 Tote gezählt. Die staatliche Nachrichtenagentur SANA veröffentlichte Fotos von getöteten und schwer verletzten Kindern, die Opfer einer „terroristischen Bande“ geworden seien. Laut SANA explodierte in einem Haus in einer Bombenwerkstatt der „Terroristen“ in Hama versehentlich ein Sprengsatz, wobei 16 Menschen ums Leben gekommen seien. Nach den Berichten über das neue Blutbad in Hama wurden zwei Beobachter dauerhaft in die Stadt entsandt, so wie es vorher schon in Homs geschehen war.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat die syrische Regierung vor erneuten Grenzverletzungen gewarnt. Die Türkei verfüge über eine starke Armee, sagte Erdogan nach einer Meldung der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi (AA) am Mittwochabend dem arabischen Nachrichtensender Al-Jazeera. In dem Interview verwies Erdogan erneut auf ein mögliches Eingreifen der NATO. Sollte es weitere Grenzverletzungen geben, „werden wir als NATO-Land die notwendigen Schritte unternehmen“. Er verwies ausdrücklich auf den sogenannten Bündnisfall. Der im Artikel 5 des NATO-Vertrages vorgesehenen Bündnisfall wurde erst einmal ausgerufen - nach den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001.
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hält seinerseits ein Eingreifen des westlichen Militärbündnisses in den aktuellen Syrien-Konflikt für nicht durchführbar. Die Opposition in Syrien bilde keine Einheit, und es gebe keine einzige Region, die bereits von der Opposition kontrolliert werde, sagte der NATO-Generalsekretär dem deutschen Magazin „Cicero“. Frankreichs Außenminister Alain Juppé hatte gegebenenfalls eine Resolution nach Kapitel VII der UNO-Charta ins Gespräch gebracht, die auch den Weg für einen Militäreinsatz frei machen könnte.
Der tunesische Staatspräsident Moncef Marzouki ist der Überzeugung, dass der Annan-Plan zum Scheitern verurteilt ist. Die Entsendung von 300 Beobachtern in das Krisenland sei völlig unzureichend, um einen Waffenstillstand durchzusetzen, sagte der ehemalige Menschenrechtsaktivist und Oppositionelle der panarabischen Zeitung „Al-Hayat“. Russland, China und der Iran sollten endlich begreifen, „dass es mit (Syriens Staatschef Bashar) Assad aus ist“, sagte Marzouki, der hinzufügte: „Dieser Mann ist zu keinen Zugeständnissen bereit.“ Assad werde abtreten müssen, „tot oder lebendig“.
Marzouki appellierte eindringlich an die Regierungen in Moskau und Peking, den syrischen Präsidenten von der Notwendigkeit eines baldigen Machtverzichts zu überzeugen. Tunesien hatte bereits im Februar seine Bereitschaft signalisiert, den syrischen Präsidenten aufzunehmen. „Du wirst verschwinden auf die eine oder andere Weise. Aber es wäre besser für dich und für deine Familie, lebend fortzugehen“, sagte der tunesische Präsident in dem Interview an die Adresse des syrischen Machthabers. (APA/dpa/AFP/Reuters)