Koloss mit Herz und Kanten
Mehr als eine Herausforderung war für die Architekturwerkstatt din a4 der Bau des neuen Chemie/Pharmazie/Medizin-Gebäudes. Sein Zentrum ist ein riesiges Foyer in Rot.
Von Edith Schlocker
Innsbruck –Die Zeiten, in denen universitäre Bauten trostlose Zweckarchitekturen waren, sind gottlob Vergangenheit. Und so schauen die Lehrenden und Studierenden, die in den in den Achtzigerjahren entstandenen Geiwi-Türmen lehren bzw. lernen müssen, neidvoll Richtung Westen zum Neubau für die Institute der Chemie/Pharmazie und Theoretischen Medizin.
Da sie Teil der Leopold-Franzens- bzw. Medizinischen Universität sind, ist der riesige Baukomplex mit einer Nutzfläche von 36.000 Quadratmetern eigentlich zwei. Verbunden durch ein riesiges Foyer.
Den 2006 von der BIG EU-weit ausgeschriebenen Wettbewerb hat die Innsbrucker Architekturwerkstatt din a4 gegen 74 Konkurrenten aus ganz Europa gewonnen. Mit einem Projekt, das sich straßenseitig hermetisch verschlossen gibt, sich durch die hellen glänzenden Fassadenplatten und die bündig eingesetzten, durchgehenden Fensterbänder fast aufzulösen scheint. Um zum Spiegel für die sich je nach Wetter wandelnden Wolken und Nachbarschaften zu werden.
Gegen die Wettbewerbsvorgaben haben die din-a4-ler den Haupteingang auf die östliche Schmalseite verlegt. Orientiert zu einem kleinen begrünten Platz hin, auf dem es sich schön chillen lässt. Wie auch zum Inn hin, zu dem sich das Gebäude im Erdgeschoss durch teilweise offene, zart aufgestelzte Auskragungen, große Terrassen und eine raumhohe Verglasung großzügig öffnet. Von der Stadtplanung leider abgewürgt wurde die von din a4 geplante Plattform auf den Inn.
din a4 ist architektonische Herausforderungen gewohnt, der Bau des Chemie/Pharmazie/Medizin-Gebäudes war allerdings „mehr als eine Herausforderung“, so Conrad Messner, neben Markus Prackwieser Inhaber der erfolgreichen Innsbrucker Architekturwerkstatt. Im Vorfeld ihrer Planung haben sie 15 ähnlich ausgerichtete Universitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz angeschaut. Viel grau-in-graue Tristesse hätten sie da angetroffen, weshalb sie es ganz anders machen wollten, so Messner.
Indem sie als dominierende Farben für ihren Bau ein helles Grün, ein sattes Rot und die Farbe von Messing gewählt haben. Als Hommage an die Hochblüte der Wissenschaft in Österreich um 1900, als diese drei Farben en vogue waren. Und so sind die Kautschukböden der Labors und Büros grün, grün und rot sind viele der Wände. Rot ist auch die Decke des über zwei Geschoße offenen, 1000 Quadratmeter großen, multifunktional bespielbaren und von Tageslicht durchfluteten Foyers mit einem Boden aus messingfarbenem Terrazzo.
Dieses Foyer ist das stimmungsträchtige „Herz“ des Baukomplexes, um das herum im Erdgeschoß bzw. im ersten Obergeschoß die von den beiden Universitäten gemeinsam genutzten Räume wie Mensa, Hörsäle, Seminarräume und Unterrichtslabore angelegt sind. Vom zweiten bis vierten Geschoß sind die beiden Baukörper getrennt, nur ganz oben zart miteinander verbunden.
Jedes der u-förmigen Gebäude ist um einen großen, sich durch Fenster öffnenden Innenhof gruppiert, der mit den Jahren durch Kletterpflanzen total zuwachsen soll. Möglichst alle Räume mit Tageslicht zu versorgen, war den Architekten ein wichtiges Anliegen. Weshalb es in jedem Bauteil ein mittiges, über die Geschoße offenes Atrium mit Glasdach gibt. Was gut für die Kommunikation zwischen den Instituten ist, die Auflösung realer wie mentaler Grenzen. Wozu auch die gläsernen Innenwände der Büros einen Beitrag leisten sollen. Was – wie überall – nicht wirklich funktioniert. Mit dem Ergebnis dichterer und lichterer Abschottungen mehr oder weniger origineller Art.
Großzügigkeit dominiert die Sozialräume im neuen Uni-Bau, dessen gewaltige Technik mehr oder weniger sichtbar in den Griff zu bekommen für Messner und Prackwieser neben der formalen eine weitere riesige Herausforderung war. Und auch die haben die beiden großartig gemeistert.