Regierung bei Studiengebühren weiter uneins
Nach dem Vorpreschen der Uni Wien mit der Wiedereinführung der Studiengebühren ist sich die Regierung bei diesem Thema weiterhin geteilter Meinung. Rechtssicherheit darüber, ob und wann Studiengebühren eingehoben werden dürfen, könnte bereits im nächsten Studienjahr herrschen.
Wien – Auch nach dem Senatsbeschluss der Uni Wien vom Donnerstag, Studiengebühren in Eigenregie wieder einzuführen, gibt es in der Bundesregierung in dieser Frage keine gemeinsame Linie. Für die SPÖ bot Unterrichtsministerin Claudia Schmied am Freitag vor Beginn der Regierungsklausur am Wiener Kahlenberg an, Gebühren für Langzeitstudenten und Nicht-EU-Ausländer per Gesetz wieder einzuführen. ÖVP-Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle lehnte das allerdings ab. Er will erreichen, dass die Universitäten selbst entscheiden können, ob und von wem Gebühren eingehoben werden. Diese Position sieht er nach dem Vorpreschen der Uni Wien gestärkt.
Senat: „Keine andere Wahl“
„Die Universitätsleitung hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht“, beteuerte der Senatsvorsitzende Helmut Fuchs am Freitag in einer Aussendung. Die Politik habe der Universität aber „letztendlich keine Wahl gelassen“, schließlich gehe es bei den durch die wegfallenden Studienbeiträgen fehlenden neun Mio. Euro „auch darum, ob wir 150 JungwissenschafterInnen beschäftigen können oder nicht“. Im Senat haben sich nach Angaben aus dem Gremium zwölf Mitglieder für die Wiedereinführung ausgesprochen und fünf dagegen.
Notwendig war die Entscheidung zu einer autonomen Gebühreneinhebung laut Senat aber auch, „um rasch Klarheit über die rechtlichen Rahmenbedingungen zu erhalten“.
Durch die Aufhebung von Teilen der Studiengebührenregelung durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) sind mit 1. März jene Bestimmungen aus dem Gesetz gefallen, die festlegen, wann Gebühren zu zahlen sind und wann nicht. Da sich die Regierung nicht fristgerecht auf eine Neuregelung geeinigt hat, studieren Studenten aller 21 österreichischen Unis im Sommersemester gratis. Für das Wintersemester hat Töchterle die Unis unter Berufung auf ein Gutachten von Verfassungsexperte Heinz Mayer aufgerufen, autonom Studiengebühren einzuheben. Die SPÖ beruft sich indes auf andere Gutachten, wonach die Unis gar nicht mehr kassieren können.
ÖH will mögliche Kläger unterstützen
Auf dieses Gutachten baut auch die Bundesvertretung der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH), die den Beschluss des Senats „verurteilt“ und ankündigt hat, Studierende, die „gegen die unrechtmäßigen Studiengebühren Klagen erheben“, zu unterstützen. Die Uni Wien müsse sich bewusst sein, dass sie hier rechtswidrig vorgehe. Im Anschluss an die Senatssitzung haben protestierende Studenten den Ring vor der Universität blockiert.
Unterrichtsministerin Schmied kritisierte, dass die Entscheidung der Uni Wien wieder zu Rechtsunischerheiten geführt habe. „ Das hätten wir einfacher haben können“, sagte die Ministerin und bot der ÖVP an, das vom VfGH gekippte Gesetz zu reparieren und die Studiengebühren damit auf eine klare gesetzliche Grundlage zu stellen.
Töchterle lehnte das Angebot freilich umgehend ab. „Ich repariere nicht ein Gesetz, gegen das ich immer massiv aufgetreten bin“, sagte der Minister vor der Regierungsklausur. Er räumte zwar ein, dass die Entscheidung der Universität Wien mit einem „gewissen Grad an Rechtsunsicherheit“ verbunden sei und dass es für Klarheit ein Gerichtsurteil brauchen werde. Aber der Grad der Rechtsunsicherheit sei seiner Meinung nach „sehr niedrig“.
Er plädiert nach wie vor dafür, dass es den Universitäten freigestellt wird, ob und für wen sie Studiengebühren einheben. In dieser Position sieht sich Töchterle durch das Vorgehen der Uni Wien nun gestärkt. „Ja, es läuft in meinem Sinne“, freute sich der Minister. „Der Weg, der jetzt gegangen wird, ist der bessere, weil er ein Weg in Richtung Autonomie ist.“
Auch die Regierungsspitzen sind beim Thema Studiengebühren weiterhin geteilter Meinung. Michael Spindelegger (ÖVP) stellte sich hinter den Wissenschaftsminister. Für den Vizekanzler ist die Entscheidung der Uni Wien „nur ein erster Schritt“. “Wir werden insgesamt nicht auskommen ohne Beiträge der Studierenden selbst“, sagte der ÖVP-Obmann am Freitag bei einer Pressekonferenz. Anders Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), der sich wie Parteifreundin Schmied lediglich eine Reparatur der vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Studiengebühren für Langzeitstudenten vorstellen kann.
VfGH könnte bereits im nächsten Studienjahr Klarheit bringen
Die von allen Seiten geforderte Rechtssicherheit könnte bereits im kommenden Studienjahr gewährleistet sein: Wie der Verfasser des ersten Gutachten, Verfassungsjurist Heinz Mayer, am Freitag erklärte, könnte eine Entscheidung des VfGH nach Einlangen einer Beschwerde durch einen Studenten bereits innerhalb eines halben Jahres fallen. Laut dem Experten gibt es tatsächlich keine andere Möglichkeit einer rechtlichen Klärung als die Probe aufs Exempel: „Die Entscheidung muss letztlich der VfGH treffen, und dort kommt man nur hin, indem man einen Bescheid bekämpft“, sagt der Experte.
Konkret habe ein Studierender laut Satzung das Recht, beim Rektorat einen Antrag auf Erlassung eines Bescheids zu stellen. Gegen diesen kann der Student beim Senat in Berufung gehen. Der Senat muss wiederum „innerhalb von ein paar Wochen“ zu einer Entscheidung kommen. Dass sich dies in die Länge zieht, bezweifelt Mayer, „immerhin ist die Uni selbst daran interessiert, dass das schnell erledigt wird“.
Der Senatsbescheid wiederum kann innerhalb von sechs Wochen beim VfGH angefochten werden. Dieser muss überprüfen, ob die Festschreibung autonomer Studienbeiträge in der Uni-Satzung verfassungswidrig ist oder nicht. Als Folge kann er die Bestimmung entweder aufheben oder zulassen. Eine Rolle werde dabei auch spielen, ob die Beschwerde an den VfGH „professionell gemacht wird“, so Mayer. Die Uni hat bereits angekündigt, alle eingezahlten Studienbeiträge rückzuerstatten, sollte der VfGH die Zulässigkeit in den Musterverfahren verneinen.
Sammel- bzw. Massenklagen von mehreren Studenten sind bei diesem Verfahren übrigens nicht möglich – Jeder Student muss individuell Beschwerde beim VfGH einreichen. (tt.com/APA)