„Ich bin der Uhrmacher“
Vor dem heutigen Football-Spitzenspiel (14.15 Uhr, Tivolistadion) gegen die Graz Giants sprach die TT mit Swarco-Raiders-Headcoach Shuan Fatah über den Gegner, die Platzmisere und gute Haarschnitte.
Wer an die Graz Giants denkt, dem fällt Quarterback Chris Gunn ein, oder?
Shuan Fatah: Gunn ist ein besonderer Quarterback. Er ist beweglich und läuft sehr viel. Das macht ihn so gefährlich. Unsere Aufgabe wird sein, ihn zum Werfen zu zwingen.
Nach dem Double (Austrian Bowl und Eurobowl) im Vorjahr liegt die Messlatte erneut sehr hoch.
Fatah: Natürlich muss unser Anspruch sein, immer ein Finale zu erreichen. Das letzte Jahr war das „Hurra“ für die Routiniers. Doch heuer mussten wir viele Spieler ersetzen und befinden uns deshalb gerade im Umbruch. Durch die weitere Beschränkung der US-Imports und deutschen Spieler haben wir noch zusätzlich zwei Leistungsträger verloren.
Gehen Ihnen trotzdem nicht die Ziele aus?
Fatah: Es geht nicht immer nur um Titel. Es gibt genügend andere Ebenen, wo man sich ständig verbessern kann. Sportlich kann man versuchen, eine Dekade lang in Europa zu dominieren. Abseits des Rasens fehlt ein Trainingszentrum, oder es gilt auch, sozusagen „Local Heroes“ zu kreieren, die für alle Jungen ein Vorbild sein können.
Stichwort Lokal: Ex-Raiders-Manager Daniel Dieplinger war immer mit dem Namen Raiders verbunden.
Fatah: Daniel ist ein guter Freund von mir, und ich bin traurig, dass es so gekommen ist. Aber was zuvor schon gelaufen ist, kann ich nicht beeinflussen. Das ist die Ebene des Managements, und in der Wirtschaft ist es ja auch üblich, dass Manager nach einer gewissen Zeit ausgetauscht werden. Trotzdem wäre ich den Weg hier sehr gerne mit ihm gegangen. Er ist eine Ikone in Tirol.
Sie haben lange Zeit bei den Berlin Adlers gecoacht. Was sind die großen Unterschiede im Vergleich zu Innsbruck?
Fatah: Das Umfeld in Innsbruck ist besser. Was die Trainingsmöglichkeiten betrifft, bin ich entsetzt gewesen, als ich vor knapp eineinhalb Jahren hierher kam. Wir spielen vor 4000 Zuschauern, beim Eurobowl-Finale waren 10.000 vor Ort, zusätzlich haben weltweit 20.000 Menschen vor dem Internet mitgefiebert – und dann trainieren wir in Sieglanger auf einem Acker. Da stimmt die Relation nicht.
Die Wände in Ihrem Büro sind voller Spielzüge – man sieht, wo Sie die meiste Zeit verbringen.
Fatah (lacht): Es gibt einen guten Spruch unter Footballtrainer: „Zeig mir einen Trainer mit gutem Haarschnitt, dann zeige ich dir, wo die schlechten Ergebnisse sind.“ Wer Zeit hat, an der Outlinie optisch zu glänzen, der hat etwas falsch gemacht. Mit Kopfhörern und Sonnenbrille an der Seitenlinie stehen – das ist Erholung. Die Trainerarbeit im Football passiert hier. Am Feld ist es zu spät.
Was reizt Sie am Footballsport so sehr?
Fatah: Es ist reines Rasenschach. Jeder Trainer versucht, die einzelnen Positionen so zu besetzen, dass du in den zwei, drei entscheidenden Spielzügen die Nase vorne hast. Du liest den anderen Trainer und reagierst auf seine Entscheidungen. Mein Trainerteam und ich sind die Uhrmacher. Wir drehen an kleinen Rädchen und schauen, was herauskommt.
Die Kräfteverhältnisse innerhalb der österreichischen Liga sind extrem unterschiedlich.
Fatah: Das stimmt. Das hat mich ein wenig irritiert, als es in der Liga-Sitzung darum ging, wer in die erste Liga aufsteigen soll. Das war wie am Basar. „Willst du aufsteigen?“ – „Nein.“ „Und was ist mit dir?“ Meiner Laienmeinung nach sollte es so wie im Fußball geregelt sein. Ein fixer Auf- und ein Absteiger. Dann müssen sich die Vereine schon frühzeitig vorbereiten.
Wo wäre Shuan Fatah ohne Football?
Fatah (lacht): Ich wäre Anwalt. Ich komme aus einer Anwaltsfamilie. Aber es kam ein Erfolg nach dem anderen. Und als deutschsprachiger Trainer bediene ich auch eine Nische. So war klar, was ich mache.
Das Gespräch führte Daniel Suckert