Serbischer Großwahlkampftag im Zeichen der Wirtschaftskrise
In Serbien werden am 6. Mai Präsidentschafts-, Parlaments- und Lokalwahlen stattfinden. Ums Präsidentenamt ringen zwölf Kandidaten.
Belgrad –Als absolute Favoriten um den Sessel des Präsidenten gelten Staatschef Boris Tadic und der Chef der oppositionellen Serbischen Fortschrittlichen Partei (SNS), Tomislav Nikolic.
18 Parteien und Bündnisse bemühen sich um 250 Parlamentssitze. Etwa die Hälfte kann damit rechnen, die Fünfprozenthürde überspringen zu können. Für die Parteien der Minderheiten gilt diese nicht. Sie müssen nur zwischen 12.000 und 16.000 Stimmen pro Abgeordnetensitz sammeln.
Auf die Abhaltung der umstrittenen Lokalwahlen im Nordkosovo verzichtet Belgrad. Ortsansässige Serben wollen diese in Zvecan und Zubin Potok allerdings selbst organisieren. Prishtina will sie hingegen – falls notwendig – auch mit Gewalt verhindern.
Eventuelle Ergebnisse aus dem Norden Kosovos will Belgrad nicht als bindend ansehen. Die EU-Rechtsstaatsmission im Kosovo (EULEX) stockte angesichts der wachsenden Spannung die Polizeipräsenz im Norden des von Serbien nicht anerkannten jüngsten Staates Europas bereits auf. Ab dem Wochenende werden an Ort und Stelle außerdem erneut die aus 550 deutschen und 150 österreichischen Soldaten bestehenden Reservekräfte der internationalen Schutztruppe KFOR stationiert sein.
Einige der Themen, die die Wahlkämpfe der früheren Jahre kennzeichneten, sind dieses Mal nicht mehr auf dem Tisch. Die Zusammenarbeit mit dem UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien wurde mit der vorjährigen Festnahme der beiden letzten flüchtigen Angeklagten – Ratko Mladic und Goran Hadzic – praktisch abgeschlossen. Über den ehemaligen bosnisch-serbischen Militärchef, den „Volkshelden“ Mladic, wurde auch seitens der nationalistischen Opposition in diesem Wahlkampf kaum noch ein Wort verloren.
Dem Regierungsbündnis um die Demokratische Partei (DS) war es kurz vor dem Start des offiziellen Wahlkampfes Anfang März gelungen, dem Land den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu sichern. Die größten Verdienste darum gebühren Staatspräsident Tadic. Seit Ende 2009 können die Bürger Serbiens visumfrei in die EU-Staaten reisen. Die Regierungsparteien, die bei der Wahl getrennt antreten, waren zudem bemüht, auch einige der jüngsten Großinvestitionen, allen voran die Einweihung des Betriebes des italienischen Autobauers Fiat im zentralserbischen Kragujevac, als eigene Verdienste zu präsentieren.
Das Hauptaugenmerk der Parteien gilt Wirtschafts- und Sozialthemen. Die führende oppositionelle SNS war wochenlang intensiv bemüht, in einem eigenen, täglich ausgestrahlten TV-Programm auf die Schwachpunkte des Regierungsbündnisses hinzuweisen. In der Tat kann sich die Regierung von Premier Mirko Cvetkovic, die betont, die erste seit vielen Jahren zu sein, die ihr vierjähriges Mandat vollständig absolviert hat, nicht bedeutender Wirtschaftserfolge rühmen. Auch Serbien blieb von der weltweiten Wirtschaftskrise nicht verschont.
Für ein bisschen Optimismus sorgte bei den Regierungsparteien aber eine kürzliche Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF), laut der Serbien heuer mit einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von 0,5 Prozent rechnen kann. Zuvor war von Nullwachstum die Rede. Unter der Armutsgrenze leben laut Amtsangaben 680.000 Menschen im Land. Die Arbeitslosigkeit bewegt sich je nach Quelle zwischen 23 und 25 Prozent. Über 400.000 Personen dürften in den letzten vier Jahren meist durch Privatisierungen ihren Job verloren haben. Auf 1,7 Millionen Beschäftigte kommen derzeit fast genauso viele Pensionisten. Die Auslandsverschuldung liegt bei 24 Milliarden Euro bzw. 75 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Belgrad verweist allerdings mit Stolz darauf, dass im Vorjahr in Serbien Auslandsinvestitionen in der Höhe von 1,8 Milliarden Euro getätigt wurden.
Die Bekämpfung der Korruption und der organisierten Kriminalität lässt zu wünschen übrig, ebenso die Justizreform und die Privatisierung. Ein Viertel der Privatisierungen wurde gar wieder außer Kraft gesetzt. Die EU-Kommission hatte im Vorjahr Belgrad aufgefordert, 24 korruptionsverdächtige Privatisierungsfälle erneut unter die Lupe zu nehmen. Erst wenige Wochen vor dem Wahltermin schien sich in diesem Bereich etwas zu bewegen.
Stimmberechtigt sind am Wahlsonntag gut sieben Millionen Bürger, die zwischen 7 und 20 Uhr ihre Stimme in 8585 Wahllokalen abgeben können werden. (APA)