Führende Politiker fordern Boykott der Fußball-EURO
In Deutschland sprechen sich führende Politiker für einen Boykott der Europameisterschaft in der Ukraine aus. Timoschenko selbst ist gegen diese Maßnahme, denn die Großveranstaltung bietet eine ausgezeichnete Bühne für den Protest.
Berlin - Angesichts der Klagen der früheren ukrainischen Regierungschefin Julia Timoschenko über ihre Haftbedingungen mehren sich vor allem in Deutschland die Forderungen nach einem Boykott der Fußball-Europameisterschaft in dem Land.
Sowohl SPD-Chef Sigmar Gabriel als auch der Menschenrechtspolitiker Tom Königs von den Grünen riefen die internationale Politik zu diesem Schritt auf. Eine Verhandlung in einem Strafprozess gegen Timoschenko wurde am Samstag auf den 21. Mai vertagt.
„Politiker müssen aufpassen“
„Politiker müssen aufpassen, dass sie nicht zu Claqueuren des Regimes werden“, sagte Gabriel der „Bild am Sonntag“. In den Stadien säßen sie „möglicherweise neben Gefängnisdirektoren und Geheimpolizisten“. Koenigs, Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, riet Politikern und Fußballfans im Deutschlandfunk, sich lieber EM-Übertragungen oder Spiele in Polen anzusehen, das Mitausrichter der in sechs Wochen beginnende Meisterschaft ist.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach sich gegen einen generellen Boykott der EM aus. Ihr Generalsekretär in Deutschland, Wolfgang Grenz, sagte dem Portal „Welt Online“ aber, Sportler und Funktionäre sollten sich „nicht nur hinter verschlossenen Türen“ für die Menschenrechte einsetzen.
Westerwelle „schockiert“
Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat sich entsetzt über den Umgang mit der inhaftierten ukrainischen Oppositionsführerin Julia Timoschenko gezeigt. „Entgegen aller rechtlichen und moralischen Pflichten“ werde Timoschenko eine angemessene medizinische Behandlung verweigert, sagte Westerwelle der „Frankfurter Allgemeinen“
Berichte über eine Misshandlung der Politikerin hätten ihn „schockiert“, sagte er. Sollten sie zutreffen, falle ihm die Vorstellung schwer, einfach wieder zur Tagesordnung überzugehen, betonte der Außenminister.
EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle nannte den Umgang mit Timoschenko in der „Welt am Sonntag“ einen „Schandfleck“. Die Ukraine müsse sich an die Gesetze halten, um das Assoziierungsabkommen mit der EU abzuschließen. Ähnlich äußerte sich der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), in der „Bild am Sonntag“.
Timoschenko, die an Bandscheibenproblemen leidet, verbüßt derzeit eine siebenjährige Haftstrafe. Sie war im vergangenen Oktober wegen Amtsmissbrauchs in ihrer Zeit als Ministerpräsidentin bei einem 2009 getätigten Gasgeschäft mit Russland verurteilt worden. Die EU kritisiert die Inhaftierung Timoschenkos als politisch motiviert. Aus Protest gegen ihre Haftbedingungen war die Politikerin vor mehr als einer Woche in einen Hungerstreik getreten.
„Retten Sie das Leben meiner Mutter“
Ihre Tochter Jewgenija forderte die deutsche Bundesregierung ebenfalls auf, sich für ihre Mutter einzusetzen. „Retten Sie das Leben meiner Mutter, bevor es zu spät ist“, forderte sie in einem am Samstag im Voraus veröffentlichten dramatischen Appell. Wenn ihre stark geschwächte Mutter sterbe, sterbe auch die Demokratie in der Ukraine.
Sie forderte die deutsche Bundesregierung auf, sich in der EU für Reisesperren gegen Mitglieder des ukrainischen Machtapparats stark zu machen. Sie und ihr Anwalt Sergej Wlasenko sagten der Zeitung, der stellvertretenden Direktor der Strafkolonie in Charkiw vergangene Woche habe Timoschenko bei ihrer zwangsweisen Verlegung in ein Krankenhaus mit einem Faustschlag in den Magen niedergestreckt.
Timoschenko gegen Boykott
Timoschenko ist nach Angaben ihrer 32-jährigen Tochter aber gegen einen Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine im Juni. Die EM sei ein Symbol der europäischen Integration ihres Landes, sie werde der Opposition außerdem eine Bühne für ihren Protest bieten. Allerdings wünsche Timoschenko nicht, „dass sich deutsche und europäische Politiker gemeinsam mit Präsident Janukowitsch zeigen, weder im Stadion noch außerhalb“. (TT.com, APA/AFP)