Britische Wirtschaft kommt vor Olympia nicht aus der Krise
Bei früheren Rezessionen ging der Aufschwung rascher. Olympia wird die Wirtschaftsprobleme nicht lösen.
London – Das Vereinigte Königreich steckt tief und fest in der Krise. Die Finanzkrise 2008 setzte den Briten stärker zu als Österreich oder Deutschland. Wie Zahlen des Londoner Forschungsinstituts NIESR zeigen, erholte sich die britische Wirtschaft noch nie so langsam wie in der aktuellen Krise. Daran werden auch die in drei Monaten beginnenden olympischen Sommerspiele in London nichts ändern. Die rigiden Sparpläne der Regierung Cameron dämpfen den stockenden Aufschwung noch zusätzlich.
Die aktuelle Krise dauere viel länger als die bisherigen großen britischen Rezessionen, erklärte NIESR-Wirtschaftsforscher Simon Kirby im Gespräch mit der APA. NIESR listet monatlich die wirtschaftliche Entwicklung Großbritanniens auf. Während man aktuell, vier Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise, noch vier Prozent unter dem Vorkrisenniveau liegt, lag das britische Bruttoinlandsprodukt (BIP) vier Jahre nach dem „Schwarzen Donnerstag“ von 1930 bereits wieder höher als vor der Krise.
Die Arbeitslosigkeit war 1930 zwar schlimmer, denn „den Wohlfahrtsstaat, so wie wir ihn heute kennen, gab es da noch nicht“, erklärte Kirby, aber die Wirtschaftsleistung, gemessen am BIP war 48 Monate nach Ausbruch der Krise noch nie so schwach wie heute: „Das ist die langsamste Erholung seit es Aufzeichnungen gibt“.
Ein Ende der Durststrecke ist vorerst nicht in Sicht. Eine Prognose der Bank of England geht davon aus, dass sich Großbritannien frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2013 erholen werde, so Kirby. Aber: „Unser Institut erwartet keinen Aufschwung vor 2014.“ Im Vergleich dazu erreichte Deutschland das Krisenlevel schon im Vorjahr. Das Vereinigte Königreich brauche mindestens drei Jahre länger und „das sind erst die Prognosen“, so Kirby. Zwei Prozent Wachstum pro Jahr seien notwendig, um Großbritannien wieder auf „Kurs zu bringen“.
Gründe für die britische Wirtschaftsmisere gebe es mehrere. Zum einen seien das die Klassiker: Turbulenzen in der Euro-Zone und strenge Sparziele der Regierung. Aber da stehe Großbritannien nicht alleine da, das betreffe auch andere EU-Staaten. Typisch britisch sind für Kirby die nach wie vor ungelösten Probleme im Bankensektor, niedrige Exportraten und die brachliegende Bauwirtschaft. Zudem produziere die britische Industrie noch deutlich weniger als vor Ausbruch der Krise.
Der Londoner Börsenplatz sei zwar wichtiger als die Finanzmärkte in Frankreich oder Deutschland, aber die momentane Problematik stecke im Detail. Die britischen Banken hätten nämlich nicht einbringbare Kredite in Firmenanteile umgewandelt. Damit stecke viel Kapital in Unternehmen, das für die Vergabe neuer Kredite fehle, so Kirby.
Damit es auf der Insel wieder aufwärtsgeht, sei ein Häuslbauer-Boom notwendig. Auch müsse der Staat in Autobahnen, Schulen und Krankenhäuser investieren. Stattdessen übe sich die Regierung aber in Enthaltsamkeit, der Ausgabenplan für die nächsten Jahre wurde um 15 Mrd. Pfund (18,4 Mrd. Euro) stark gekürzt.
Durch die Investitionen im Rahmen der olympischen Sommerspiele in London habe sich die Hauptstadt zwar entwickelt. Kirby zweifelt allerdings, ob das Wachstum über neue Stadien hinausgehe. Er hinterfragt, wie viele der Investitionen wegen der Spiele zusätzlich getätigt wurden. Für ihn steht fest, dass „London 2012“ die Wirtschaftsprobleme nicht lösen wird, „egal wie viele Medaillen wir gewinnen.“ (APA)