„Wir wissen uns nicht zu helfen“
Die Schuldnerberatung Tirol fordert vom Land zwei Beraterstellen mehr, weil die Zahl der überschuldeten Tiroler enorm gestiegen ist. Mittlerweile beträgt die Wartezeit nach der Erstberatung schon vier Monate.
Von Max Strozzi
Innsbruck –Die Schuldnerberatung Tirol schlägt Alarm. In den vergangenen Jahren ist die Zahl jener Tiroler, die mit ihren Schulden nicht mehr zurande kommen, gestiegen. „Die Nachfrage steigt leider weiter, wir können aber nicht alle aufnehmen“, warnt Thomas Pachl, Geschäftsführer der Schuldnerberatung Tirol. Für die Verschuldeten bzw. die Überschuldeten gibt es zwar ein Erstgespräch. „Wenn wir aber in der Folge eine Insolvenz verhandeln sollen, beträgt die Wartezeit bereits vier Monate“, so Pachl. „Die Menschen melden sich aber erst, wenn der Hut brennt und der Exekutor vor der Tür steht. Wenn‘s dringend ist, sind vier Monate Wartezeit viel zu lange“, so Pachl: „50 Prozent der Menschen melden sich nach der Erstberatung daher nicht mehr.“
Fast 3000 Tiroler hat die Schuldnerberatung im vergangenen Jahr beraten, heuer sind es bisher schon fast 600. Vor Ausbruch der Finanzkrise, also im Jahr 2007, suchten noch knapp 1950 Tiroler Hilfe bei der Schuldnerberatung. Während die Zahl der Schuldner kontinuierlich gestiegen ist, sind im vergangenen Jahr laut Pachl 20 Beraterstunden pro Woche gestrichen worden. Heuer sollen weitere 20 Wochenstunden fallen. Insgesamt würden dadurch 50.000 Euro im Jahr gespart werden. Pachl warnt allerdings vor einem massiven Personalengpass. „Wir wissen uns nicht mehr zu helfen, wenn die Nachfrage steigt, stehen wir an“, warnt er. Im Mai will die Schuldnerberatung daher mit dem Land Kontakt aufnehmen und um zwei zusätzliche Beraterstellen ansuchen, deren Kosten Pachl mit rund 100.000 Euro im Jahr beziffert. „Wir brauchen zwei Beraterstellen mehr, um die Warteliste abzubauen und um mehr Privatkonkurse verhandeln zu können“, erklärt Pachl. Die Schuldnerberatung in der Bundeshauptstadt Wien beispielsweise habe es geschafft, durch das Aufstocken des Personals um 50 Prozent die Wartelisten abzubauen und weitere Beratungsprojekte zu unterstützen, die helfen sollen, eine drohende Überschuldung abzuwenden.
Die Schuldnerberatung Tirol wird hauptsächlich durch Land (650.000 Euro), Arbeiterkammer (ca. 50.000 Euro) und AMS (ca. 100.000 Euro) finanziert. LHStv. Hannes Gschwentner hatte jüngst der Wirtschaftskammer mangelnde Bereitschaft an der Prävention von Privatinsolvenzen vorgeworfen und eine zweite Beratungsorganisation in Tirol gefordert, die von Wirtschaftskammer und dem Land mit insgesamt 150.000 bis 200.000 Euro im Jahr finanziert werden sollte. Grund sei der hohe Anteil an Ex-Selbstständigen an den Privatinsolvenzen.
Pachl indes ortet keinen Grund für eine zweite Organisation. Allerdings fordert er eine „angemessene Unterstützung“ durch die Wirtschaft, zumal fast jeder dritte Überschuldete (28 %) ein ehemaliger Unternehmer ist.
Wirtschaftskammerpräsident Jürgen Bodenseer hat die Kritik zurückgewiesen. „Wir bieten Selbstständigen im Vorfeld Beratung und begleiten sie in den ersten Jahren der Selbstständigkeit“, so Bodenseer. Auch sei die Möglichkeit der Arbeitslosenversicherung geschaffen und die Mindestbeitragsgrundlage gesenkt worden.