Pupp: „Haben noch keinen Ermittlungsauftrag“
Die Spuren im Fall der 19-Jährigen, die jahrelang in Bosnien als Sklavin gehalten wurde, führen auch nach Kitzbühel. Interpol ermittelt bereits.
Innsbruck, Karavlasi –Geflüchtet. Mit Kitzbüheler Kennzeichen. Die Verwandten der Peiniger, die eine 19-jährige Deutsche acht Jahre lang in Bosnien als Sklavin gehalten haben, führen die Ermittler nach Tirol. Walter Pupp, Chef des Landeskriminalamts (LKA), erklärte gestern auf Anfrage der TT, es gebe keinen offiziellen Auftrag, die Sache zu verfolgen. Noch nicht: „Wenn es, wie kolportiert wird, ein Rechtshilfegesuch gibt, dann kann es dauern, bis das bei uns landet.“ In den nächsten Tagen würde man vermutlich mehr wissen, sagte der LKA-Chef. Die Mitarbeiter des Landeskriminalamts hätten von dem tragischen Fall „selbst aus den Medien erfahren“, sagt Pupp. Interpol hat sich bereits eingeschaltet.
Das Ehepaar Milenko und Slavojka M. hatte das Mädchen acht Jahre lang in seinem Haus in Karavlasi gequält. Die Polizei entdeckte die jetzt 19-Jährige in einem Wald, wie die Staatsanwaltschaft am Montag mitteilte. Sie sei verwirrt und ängstlich gewesen und habe Narben und Blutergüsse an Armen, Beinen sowie am Kopf gehabt. Bettina sei an einen sicheren Ort gebracht worden. Sie wurde jahrelang eingesperrt und misshandelt. Auch die Schule wurde ihr verweigert. Ein Nachbar alarmierte schließlich die Beamten. Dorfbewohner berichteten, sie hätten die 19-Jährige oft schreien und weinen gehört. Bei der Untersuchung sei laut Staatsanwaltschaft festgestellt worden, dass das Mädchen nicht vergewaltigt wurde.
Hinter dem persönlichen Schicksal der 19-jährigen Bettina, die auch Karla genannt wurde, könnte sich weit mehr verbergen als auf den ersten Blick ersichtlich. Das Mädchen war nach Angaben der bosnischen Familie 2005 mit seiner Mutter Christine S. nach Bosnien gekommen. Christine S. war vermutlich eine Scheinehe mit dem jetzt festgenommenen Mann eingegangen, um ihm eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland zu beschaffen. Er und seine bosnische Frau waren demnach im Bosnien-Krieg nach Deutschland geflohen und von Christine S. in einem Ort zwischen Berlin und Hannover aufgenommen worden. Ihre beiden anderen Töchter sollen mit Brüdern des Peinigers verheiratet sein. Mutter Christine S. erklärte gegenüber bosnischen und serbischen Zeitungen, alles sei „eine Lüge und erfunden“. Sie hätten alle „gut gelebt“.
Karlas Fall dürfte ein Netzwerk von Machenschaften mit Geld, Scheinehen, Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen aufgedeckt haben. Und das System soll bis nach Tirol reichen. In einem Renault mit Kitzbüheler Kennzeichen sind die Verwandten des Peiniger-Ehepaars geflüchtet.
Noch liegt vieles im Dunkeln, doch die Familienmitglieder dürften auch in Tirol bereits polizeilich bekannt sein. Sie, so Informationen aus Bosnien, sollen ständig zwischen Tirol und dem bosnischen Dorf Gojcin bei der Stadt Kalesija gependelt sein. Ob es sich bei den Verwandten um die Brüder von Milenko M. handelt und ob sie wieder nach Tirol gefahren sind, steht noch nicht fest. (dpa, kaz, pn)