Burma

24 Jahre der Isolation vorbei: Suu Kyi betritt die Weltbühne

Nach mehr als zwei Jahrzehnten der Entbehrungen und des Kampfes gegen die Militärjunta reist die burmesische Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi nach Bangkok.

Von Christiane Oelrich/dpa

Bangkok - Ein paar Wochen wollte Aung San Suu Kyi 1988 in Burma (Myanmar) bleiben, ihrer nach Jahrzehnten im Ausland fremd gewordenen und inzwischen von einer brutalen Militärjunta regierten Heimat. Sie wollte bei ihrer todkranken Mutter sein und dann nach Oxford zurückkehren, zu Mann und Kindern. Aus dem Kurztrip wurde fast ein Vierteljahrhundert. Nun startet Suu Kyi nach 24 Jahren zu ihrer ersten Auslandsreise, zum Weltwirtschaftsforum (WEF) Ostasien in Bangkok.

In den vergangenen Monaten hat die 66-Jährige Politiker aus aller Welt in ihrem Haus in Rangun empfangen. Beim WEF war sie mehrfach mit Videobotschaften präsent. Jetzt tritt sie aber erstmals persönlich auf die Weltbühne.

Ihr Versprechen, Europa wegen der steten Unterstützung während der langen Jahre unter Hausarrest den ersten Besuch abzustatten, dürfte strategischen Überlegungen gewichen sein: Die Zukunft Burmas liegt in Asien, unterstreicht Suu Kyi mit ihrem Trip. Beim Forum tummeln sich Unternehmer und Investoren aus der Südostasiatischen Staatengemeinschaft (ASEAN) sowie China und Indien.

Mit Siebenmeilenstiefeln ins 21. Jahrhundert

Suu Kyi ist seit ihrer Freilassung aus dem Hausarrest 2010 mit Siebenmeilenstiefeln unterwegs ins 21. Jahrhundert. In den 15 Jahren Isolation in ihrem baufälligen Haus in Rangun war ein Radio mit Weltempfänger praktisch ihr einziges Tor zur Welt. Kein Fernsehen, kein Handy, kein Internet.

Nach ihrer Freilassung sagte sie in einem Interview: „Zuerst fühlte sich das Mobiltelefon so winzig an, ich war mir nicht sicher, ob man mich am anderen Ende überhaupt hören konnte.“ Seit 18 Monaten ist Suu Kyi nun auf freiem Fuß und im Land unterwegs - aber Burma ist nach Jahrzehnten mit Würgegriff der Junta und westlichen Sanktionen nicht gerade auf modernem Stand.

In der Hafenstadt Rangun rumpeln 30 Jahre alte Autos durch die Schlaglöcher, an den Gebäuden bröckeln die Fassaden. Es gibt wenige Telefonanschlüsse. Manche, die Anschlüsse ergattert haben, stellen vor ihrem Haus Tischchen mit uralten Schnurtelefonen auf und lassen dort gegen Gebühr telefonieren. Mobiltelefone sind für die meisten Menschen unerschwinglich, Computer ebenso. Auf dem Markt bieten Leute mit mechanischen Schreibmaschinen ihre Dienste zum Aufsetzen von Briefen an.

Kulturschock in Bangkok?

Suu Kyi kennt nach ihrem Einzug ins Parlament zwar die vor ein paar Jahren aus dem Urwaldboden gestampfte Hauptstadt Naypyidaw mit ihren riesigen neuen Gebäuden und sechsspurige Straßen - nur ist dort selten ein Auto und kaum ein Mensch unterwegs. Von dort in die quirlige Megametropole Bangkok mit ihren Wolkenkratzern und Glitzer-Malls zu reisen, dürfte ein Schock sein, selbst für eine Frau von Welt - Suu Kyi hat in Neu Delhi, New York und London gelebt, doch ist das lange her.

Einer, der auch nach Jahrzehnten in Burma vor kurzem nach Bangkok kam, ist der Komiker Zarganar. Er beschrieb das so: „Den Flughafen zu sehen war ein Schock, die riesigen Gebäude zu sehen war ein Schock, die Brücken und die gut ausgebauten Straßen zu sehen war ein Schock.“

Freiheitskampf mit großen Opfern

Doch so offenkundiges Staunen und Gefühlsäußerungen liegen nicht in der Natur der Akademikerin. Suu Kyi hat einen stählernen Willen und eine eiserne Disziplin, wie sie in 24 Jahren der Entbehrungen unter Beweis gestellt hat. Ihr Söhne Alexander und Kim waren 15 und 11, als sie 1988 nach Burma ging. Sie sollte sie jahrelang nicht wiedersehen.

Als die Junta ihr nach dem ersten Hausarrest 1995 die Ausreise frei stellte, weigerte sie sich. Suu Kyi, inzwischen Friedensnobelpreisträgerin, wusste, dass sie nur als Stachel im Fleisch der Junta größtmögliche Aufmerksamkeit auf das Unrechtsregime lenken konnte - und argwöhnte deshalb, dass die Generäle ihr die Rückkehr verweigern würden.

Sie blieb auch, als ihr Mann Michael Aris an Krebs erkrankte und die Junta ihm die Reise nach Burma verweigerte. Aris starb 1999, vier Jahre, nachdem er seine Frau zuletzt in Rangun gesehen hatte, in Großbritannien. Sein Grab will sie in der zweiten Juni-Hälfte erstmals besuchen. (dpa)