Wieder richtige Musik: Pfingsten mit Santa Cecilia
Die ersten Salzburger Pfingstfestspiele unter Cecilia Bartoli wurden zum musikalischen Triumph.
Von Jörn Florian Fuchs
Salzburg –Endlich wieder richtige Musik! Und kein dirigierender Altmeister mit Pomadeschopf mehr! Die fünf langweiligen Riccardo-Muti-Jahre sind vorüber, vorbei seine Ausgrabungen angeblich wichtiger Werke des neapolitanischen Settecento. Jetzt weht ein anderer Wind an der Salzach, ebenfalls ein italienischer, aber einer mit echter Italianità! Cecilia Bartoli hat vom neuen Festspielintendanten Alexander Pereira eine Carte blanche fürs Pfingstprogramm erhalten und nutzte diese weidlich.
Im ersten Jahr ihrer Regentschaft hatte es Bartoli die Figur der Kleopatra in allen Facetten und quer durch die Epochen angetan – was liegt opernmäßig da näher als Händels „Giulio Cesare in Egitto“? Drei Akte und fünf Stunden braucht es, bevor sich die machtbewusste Dame an die Spitze geschlafen, pardon, gearbeitet hat. La Bartoli singt alle Liebes- und Schmerzens- und Hassarien so brillant und locker und technisch sauber, als wär’s nur ein Nebenjob. Na gut, im ersten Akt braucht sie ein wenig, gelegentlich flattert die Stimme, ein paar Manierismen stellen sich ein. Doch das ist alles rasch vergessen und noch rascher verziehen. Wenn man unbedingt will, kann man auch bei Philippe Jaroussky (als Sesto, Sohn von Cesares gemeucheltem Gegner Pompeo) ein Mini-meckern anbringen. Jaroussky gerät nach besonders halsbrecherischen Koloraturen ganz leicht ins Schwimmen. Aber, bitte, wenn die anderen 95 Prozent seiner Partie so bestechend klingen?
Toll als Titelheld ist Andreas Scholl, dazu gibt es zwei weitere fulminante hohe Sänger-Herren, Altist Jochen Kowalski (als Cleopatras Dienerin Nirena) und Counter Christophe Dumaux (als ihr Bruder Tolomeo). Anne Sofie von Otter gibt Sestos Mutter mit entspannt fließenden Bögen. Nur an den Sound von Giovanni Antonini und seinem Ensemble Il Giardino Armonico muss man sich gewöhnen, früher waren die mal wild und grob, jetzt klingt alles fein, glatt, letztlich recht eintönig.
Eine Regie gab es auch, wobei das, was Moshe Leiser und Patrice Caurier da fabriziert haben, eine schlichte Frechheit ist. Die Bühne wird zugemüllt mit Kriegsspielzeug, hüftschwingenden Soldaten, Autos, einer Herrscherpuppe, der man Gedärme entreißt, einem Plastikkrokodil … Cecilia Bartoli muss eine Trauerarie mit einem Sack über dem Kopf singen. Countertenöre mit halbwegs sportlicher Figur lassen Hemden und Hosen (teilweise) fallen. Irgendwie soll das wohl in irgendeinem heutigen Militärstaat spielen, aber es tauchen auch Europafähnchen auf und Bohrtürme werden herumgefahren. Eine völlig krude, blödsinnige Mischung aus allem, was den Regisseuren so durch den Kopf rauschte, vom Publikum zu Recht mit einem Buhorkan gewürdigt.
Abseits der großen Oper sang die Bartoli allerlei Kleopatra-Vertonungen, etwa von Carl Heinrich Graun (gediegener Schönklang), Johann Adolf Hasse (unter die Haut gehend) oder Antonio Sartorio (farbig frühbarockig). Eine fast nie gespielte Kleopatra-Oper von Jules Massenet war konzertant zu erleben, eine Shakespeare-Lesung und ein ägyptisches Dinner mit Musik rundeten das äußerst klug komponierte Programm ab. Und der russische Altmeister Rodion Shchedrin schrieb für Anna Netrebko eine eindringliche Kleopatra-Szene. Weil Donna Anna erkrankte, sprang das Neue-Musik-Sternchen Mojca Erdmann – erfolgreich – ein.
Nächstes Jahr heißt das Motto „Opfer“, viel Geistliches wird da zu hören sein. La Bartoli gibt die Norma, allerdings leider wieder in einer Inszenierung der Terrorjungs Leiser & Caurier.