Wirtschaftspolitik

Europas Firmen blasen immer öfter zum Rückzug aus China

China wird für europäische Firmen immer wichtiger, aber auch schwieriger. Viele klagen über Diskriminierung. Die meisten Tiroler bleiben dennoch.

Peking –Der chinesische Markt wird für europäische Unternehmen immer wichtiger, aber auch schwieriger – und viele Firmen denken inzwischen darüber nach, ihr Geschäft von China in andere Schwellenländer zu verlagern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Mitgliederbefragung der EU-Handelskammer, die am Dienstag in Peking vorgestellt wurde. „22 % unserer Firmen halten es für möglich, dass sie ihre Investitionen in andere Länder verlegen“, sagte Kammerpräsident Davide Cucino. „Das ist eine Zahl, die der chinesischen Regierung zu denken geben sollte.“

Für viele EU-Unternehmen war ihr China-Engagement in den vergangenen Jahren einer der wenigen Lichtblicke. Gerade die deutsche Wirtschaft verdankt ihre Krisenresistenz maßgeblich der chinesischen Nachfrage nach Maschinen oder Autos. Allein VW errichtet derzeit drei neue chinesische Werke und hat weitere in Planung. Euphorie ist dennoch nicht zu spüren. „Der chinesische Markt wird reifer“, sagt Cucino. „Aber leider entwickelt sich das regulatorische Umfeld nicht im Einklang mit den Bedürfnissen des Marktes.“

Neben der langsamer wachsenden Wirtschaft und den schnell steigenden Lohnkosten fühlen sich die europäischen Unternehmen zunehmend diskriminiert. 40 % der Firmen geben an, dass die Politik der chinesischen Regierung gegenüber ausländischen Firmen heute weniger fair sei als noch vor zwei Jahren. Die Hälfte der Firmen fühlt sich um substantielle Geschäftschancen betrogen, weil Chinas Behörden einheimischen Firmen Wettbewerbsvorteile verschaffen. Auch der Schutz von Patenten bleibt ein Problem.

Nichtsdestotrotz ist China nach wie vor ein Markt, an den sich große Hoffnungen knüpfen. Drei Viertel der in China aktiven EU-Unternehmen bezeichnen die Volksrepublik als einen ihrer drei wichtigsten Märkte und die Hälfte macht dort inzwischen mehr als 10 % ihres globalen Umsatzes. 63 % der Firmen planen deshalb weitere Investitionen in China und 74 % rechnen damit, dass sie in China in den kommenden zwei Jahren mehr Personal einstellen werden.

„Aus Tiroler Sicht ist keine Abwanderung zu bemerken“, erklärt Gregor Leitner, Außenwirtschaftsleiter in der WK Tirol. Anders als andere EU-Betriebe hätten die Tiroler Unternehmen nie ihre Produktion zur Gänze verlagert – vielmehr wurden China-Standorte zur Bearbeitung des asiatischen Marktes zusätzlich aufgebaut. Es ging somit nie um den Re-Export von Waren, was den Firmen eine ganze Reihe von Problemen erspart habe, erklärt Leitner. Derzeit sind 23 Tiroler Investoren in China tätig. Sie verfügen dort entweder über Verkaufsniederlassungen oder auch Produktionsstandorte. Vor Ort sind u.a. der Fahrzeugbauer Empl, Plansee, der Leuchten-Hersteller Eglo, GE Jenbacher oder der Kunsteisbahnbauer AST. Die Tiroler Warenexporte nach China inklusive Hongkong beliefen sich zuletzt auf 275 Mio. Euro (2010) – damit ist China bereits der achtwichtigste Auslandsmarkt für Tirols Betriebe. (bb, wer)