Der Kampf gegen andere Umstände
Vom Kindsmord danach zur Antibabypille davor: Zu allen Zeiten waren Frauen bestrebt, die Geburtenzahl unter Kontrolle zu halten. Das weltweit einzigartige Verhütungsmuseum in Wien dokumentiert die verzweifelten und vielfach vergeblichen Versuche, ungewollten Nachwuchs zu verhindern.
Von Elke Ruß
Fünfzehn Schwangerschaften und zehn Geburten, etwa acht Kinder überleben: So umreißt der Wiener Gynäkologe Christian Fiala die „natürliche Fruchtbarkeit der Frau“ in 35 gebärfähigen Jahren – sofern sie nicht vorher an Komplikationen verstarb.
Kaum jemand könne für so viele Kinder vernünftig sorgen, sagt Fiala. „Ein brutales Limit stellte früher alleine die Ernährung dar.“ In allen Kulturen habe es deshalb „etwas gegeben, um die Fruchtbarkeit den individuellen Möglichkeiten anzupassen“. Er nennt den Kampf um die Fruchtbarkeitskontrolle „die zweitgrößte kulturelle Errungenschaft nach der Erfindung des Feuers“. Für das 2007 gegründete „Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch“ in Wien sammelte der Frauenarzt Exponate aus aller Welt.
Befragt nach dem ältesten Beleg für Verhütung, nennt Fiala die Bibel: Nach dem Tod seines Bruders sollte Onan dessen Witwe schwängern, er wollte dies aber nicht und ließ „den Samen auf die Erde tropfen“, wofür Gott ihn mit dem Tode bestrafte. Der wohl älteste Hinweis auf einen Schwangerschaftstest findet sich in ägyptischen Papyri: Frauen urinierten demnach auf schnell wachsendes Getreide, waren sie schwanger, wuchs es noch rasanter.
Als Verhütungsmittel sollte Krokodilsdünger oder notfalls Elefantendung mit gegorenem Pflanzenschleim vermischt und als Scheidenbarriere verwendet werden.
Frauen der römischen und griechischen Antike versuchten eine Empfängnis mit Hilfe bestimmter Koituspositionen sowie mit Amuletten, Arzneien und Zeitplanung zu verhindern. Schon früh verbreitet waren Schwämmchen oder Wollbäusche mit kontrazeptiven Substanzen, die in die Scheide eingeführt wurden, darunter Granatapfelkerne, Ingwer, Olivenöl, Honig, Essig, Salzlake, Alaun und Harze. Sie sollten ein für Spermien ungünstiges Umfeld herstellen. Fiala verweist aber auf das Problem, dass die Natur wirksame Pflanzen nicht ganzjährig in gleicher Konzentration bietet. „Deshalb sind Frauen oft schwanger geworden – und haben Pflanzen zum Abtreiben genommen.“
Ein anderer Ansatz war, die Spermien abzufangen – etwa mit einem Stöpsel für die Harnröhre aus gedrechseltem Holz mit einem Gummiballon dran. Wie man ein Kondom aus Schafsdarm anfertigt, verrät etwa eine Anleitung aus 1824, Sicherheitstipp inklusive: „Hat man zu dünne Kondoms, so kann man zwei solche übereinander anziehen.“ Mit der HIV-Gefahr erlebte das Präservativ eine Renaissance, als Verhütungsmittel sei es aber nur „mittelmäßig verlässlich“, warnt Fiala: „Ein Drittel der Frauen, die zum Abbruch kommen, haben sich auf ein Kondom verlassen.“
Zur Anwendung kamen auch Spülapparate aller Art, Wohlhabende hatten ein Bidet. Selbst Kuriositäten wie Spülungen mit Coca-Cola oder ein quietschendes Femidom zeigen für Fiala aber nur „das Ausmaß der Verzweiflung, mit der man versucht hat, das irgendwie zu kontrollieren“.
Als Schwangerschaftstest wurden übrigens noch bis 1964 Frösche eingesetzt, „deshalb hatten auch alle gynäkologischen Abteilungen Froschzuchten“, weiß der Arzt. Dem Tier wurde Urin der Patientin unter die Haut gespritzt. War sie schwanger, produzierte auch der Frosch Spermien bzw. Eizellen.
Die 1920er-Jahre brachten die Zählmethode nach Knaus-Ogino – nach der Absegnung durch Rom auch „Katholisches Roulette“ genannt. Die Angst war stets mit im Bett. „Bis Mitte des 20. Jahrhunderts gab es den Betriff Gebärzwang: Man wusste, dass praktisch jeder Geschlechtsverkehr zu einer Schwangerschaft führen konnte“, erklärt Fiala.
Viele sahen in Kindstötungen bzw. Engelmachern den letzten Ausweg – mitunter fatal für alle Beteiligten. So wurde am 9. Jänner 1945 in Wien wegen des Verbrechens der Abtreibung der Leibesfrucht ein Todesurteil an Engelmacherin Maria G. aus Vöcklamarkt vollstreckt.
Erst die in den 1960ern vom gebürtigen Österreicher Carl Djerassi entwickelte Antibabypille entkoppelte den Sex als lustvolle Form der Intimität von der Fruchtbarkeit – und der Angst. 1975 stellte Österreich den Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten nach ärztlicher Beratung straffrei. Es gibt (freiwillige) Vasektomien bzw. Sterilisationen und die „Pille danach“, die laut Fiala als „Erstversorgung nach einem Sexunfall in jede Haus- und Reiseapotheke gehört“. Und doch bleibt viel an Unwissenheit und Scheinmoral. In Österreich finden pro Jahr noch geschätzte 30.000 Abtreibungen statt – und die Innsbrucker Klinik führt entgegen der Gesetzeslage keine durch.