Gesellschaft

Wikileaks-Gründer Assange wird nach Schweden ausgeliefert

Der Oberste Gerichtshof in London lehnte Assanges Berufungsantrag ab. Schweden will nun eine Auslieferung des Wikileaks-Gründers binnen zehn Tagen. Dort wird er mit Europas härtestem Sexualstrafrecht konfrontiert.

London – Der Internetaktivist und Wikileaks-Gründer Julian Assange darf von Großbritannien nach Schweden ausgeliefert werden. Diese Entscheidung hat das höchste britische Gericht am Mittwoch bekanntgegeben. Der Oberste Gerichtshof in London wies einen Berufungsantrag von Assange zurück. Dem Australier bleibt jetzt nur noch der Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, will er seine Auslieferung verhindern. Er steht in Schweden im Verdacht, Sexualstraftaten begangen zu haben.

Die Entscheidung der Richter fiel mit fünf zu sieben Stimmen. Vor dem Supreme Court war es um die Frage gegangen, ob ein von der Staatsanwaltschaft ausgestellter Haftbefehl in Großbritannien Gültigkeit besitzt. Im Vereinigten Königreich muss ein Haftbefehl von einem Gericht ausgestellt werden. Fünf der sieben Richter des Supreme Courts vertraten die Ansicht, dass für einen EU-weiten Haftbefehl auch die Unterschrift eines Staatsanwaltes ausreicht.

Assange vermutet politische Motivation

Im Februar 2011 hatte die britische Justiz in erster Instanz Assanges Auslieferung an Schweden verfügt. Der 40-jährige politische Aktivist weigerte sich, für eine Vernehmung nach Schweden zurückzukehren und ging daraufhin den Weg durch die Instanzen. Sein Fall sei politisch motiviert und er befürchte, keinen fairen Prozess zu erhalten. Der ausgestellte Haftbefehl Schwedens erfülle nicht die Anforderungen des britischen Rechts, hatte er seinen Rekurs begründet. Assange steht derzeit in Großbritannien unter Hausarrest.

Schwedens Justiz hat gegen den Australier Ermittlungen aufgenommen, weil er eine 31 Jahre alte Frau, die ihn beherbergte, im Schlaf überrascht und ohne Kondom mit ihr geschlafen haben soll. Der Vorwurf lautet auf Vergewaltigung in einem minder schwerem Fall. Zudem wird ihm die sexuelle Belästigung einer 27-Jährigen vorgeworfen. In diesem Fall soll Assange trotz ihres Einspruchs die Benutzung eines Präservativs abgelehnt und während des Geschlechtsverkehrs Zwang auf sie ausgeübt haben.

Die schwedische Justiz will die Auslieferung innerhalb von zehn Tagen durchsetzen, wie die zuständige Staatsanwaltschaft in Göteborg am Mittwoch ankündigte.

Assange könnte gegen Auslieferung vor Menschenrechtsgericht ziehen

Sollte die britische Justiz bei ihrem Entschluss bleiben, den Wikileaks-Mitbegründer Julian Assange nach Schweden auszuliefern, bleibt dem Australier noch eine Chance: der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die Straßburger Richter haben die Möglichkeit, eine Auslieferung vorläufig zu stoppen. In diesem Fall müsste sich Großbritannien als Unterzeichner der Europäischen Menschenrechtskonvention der Anordnung beugen.

Laut Artikel 39 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs können sich Bürger in einem Eilantrag an die Straßburger Richter wenden, wenn sie bei einer Auslieferung Verletzungen ihrer Grundrechte befürchten. Über solche Eilanträge entscheide der Gerichtshof gewöhnlich sehr schnell, innerhalb von 24 Stunden, erläuterte eine Sprecherin. Wird dem Antrag stattgegeben, hat dies eine „aufschiebende Wirkung“. In einem solchen Fall darf ein Beschwerdeführer nicht ausgeliefert werden, bis über seine Klage im Grundsatz entschieden ist. Dies kann mehrere Wochen oder sogar Monate dauern.

Üblicherweise blockiert der Straßburger Gerichtshof Abschiebungen, wenn den Betroffenen in dem fraglichen Land schwere Menschenrechtsverletzungen, etwa Folter, drohen oder wenn gar ihr Leben in Gefahr sein könnte. Auf der Grundlage von Artikel 39 stoppte das Straßburger Gericht etwa die Auslieferung politischer Flüchtlinge durch Russland an Usbekistan und Turkmenistan, oder auch die Abschiebung von Tschetschenen durch Georgien an Russland.

Abgelehnt wurde in Straßburg hingegen im Jänner 2011 ein Antrag zweier mutmaßlicher Mitglieder der „Revolutionären Zellen“, die damit eine Auslieferung von Frankreich nach Deutschland verhindern wollten. Ihnen wurde in Deutschland die Teilnahme an Bombenanschlägen zur Last gelegt.

Dass der Gerichtshof für Menschenrechte eine Abschiebung Assanges nach Schweden verhindern könnte, gilt als wenig wahrscheinlich. Schweden sei nicht gerade als „Risikoland“ einzustufen, sagte ein Jurist in Straßburg. Die schwedische Justiz wirft dem 40-Jährigen Sexualdelikte vor. Assange hält dies jedoch für politisch motiviert. (APA/AFP)