Die Invasion der bunten Flatterer
Heimische Schmetterlinge und Wanderfalter schmücken wieder die Natur. Einer der kleinen Flatterer – der Distelfalter – war vor drei Jahren die Ursache für ein seltenes Naturspektakel: eine regelrechte Invasion der Falter.
Von Helmut Pechlaner
Schon vor Wochen haben bei uns Schmetterlinge ihr frostfreies Winterquartier verlassen und so konnten wir uns schon am Tagpfauenauge, am Zitronenfalter und an anderen erfreuen. In diesen Wochen kehren jedoch die Wanderfalter zurück, das sind jene Arten, die, den Zugvögeln gleich, im Herbst nach Süden flattern.
Bei den meisten dieser Schmetterlinge, wie dem Admiral-Falter, sind es nur die Nachkommen, welche wieder übers Mittelmeer und die Alpen zu unseren Blumenwiesen fliegen. Bei den Distelfaltern kommen häufig auch vorjährige Tiere mit einer günstigen Föhnströmung von Südeuropa oder von Nordafrika nach Mitteleuropa zurückgeflattert. Beim Zusammentreffen besonders günstiger Umstände kommt es zu unvorstellbaren Masseninvasionen. So gab es eine Invasion von Distelfaltern im Jahre 1931, zuletzt wieder im Jahr 2009. Laien und Wissenschafter waren gleichermaßen von diesem sehr seltenen Naturspektakel begeistert.
Damals vor drei Jahren waren plötzlich überall im nördlichen Alpenvorland Distelfalter zu sehen. In Gärten, auf Feldern und Wiesen, in Dörfern und in Städten konnte man sie beobachten. Gewaltige Schwärme dieser Wanderfalter wurden damals von Winden nach Norden getragen. Ehrenamtliche Helfer kamen beim Zählen dieser Tiere im Auftrag wissenschaftlicher Einrichtungen auf bisher nie erreichte Werte. Millionen dieser orangefarbenen Schmetterlinge wurden allein in Bayern registriert. Die Naturschutzabteilungen mussten gleich die misstrauische Bevölkerung beruhigen, dass von diesen Tieren keinerlei Gefahr droht. Die Raupen der Distelfalter fressen vor allem Disteln – daher auch der Name des Falters – Brennnessel und andere Wildkräuter, sie schaden somit nicht der Landwirtschaft.
Der Distelfalter ist ein sehr kräftiger und schneller Flieger. Auch bei ungünstigen Wind- und Wetterbedingungen kehren alljährlich Falter aus Italien, Spanien und Nordafrika zu uns zurück, bei milden Wintern und günstigen Windströmungen kommen eben viel mehr Tiere, das hat nichts mit dem Klimawandel zu tun. Das Wanderverhalten des Distelfalters ist Teil seiner biologischen Überlebensstrategie: In unseren Breiten pflanzt er sich fort, noch vor den kalten Herbststürmen ist er wieder zu Hause im Süden. Als hätten sich die Falter verabredet, folgen sie gemeinsam einer Richtung und das, obwohl sie weder untereinander kommunizieren noch koordiniert ausschwärmen, wie das etwa Zugvögel tun.
Die 45–60 Millimeter großen Edelfalter gehören zu den bekanntesten Wanderfaltern und sind in Mitteleuropa häufig. Sie kommen auch in unseren Alpen bis in 3000 Meter Höhe vor. In normalen Jahren fliegen sie von April bis Juni aus ihrem südlichen Stammgebiet zu uns, hier wachsen zwei Generationen heran. Die Enkel bzw. die Urenkelgeneration fliegt punktgenau in die Heimatwiesen ihrer Vorfahren im Mittelmeerraum zurück. Je nach Lebensraum werden die kegelförmigen, gräulichen und längs gerillten Eier einzeln an der Blattoberseite der Futterpflanzen abgelegt, diese werden so zur Nahrungsgrundlage der Raupen. Brennnessel und Malven, Kratzdistel und Kohl-Kratzdistel sind bevorzugt. Die daraus schlüpfenden Raupen spinnen die Blattspitze, später das ganze Blatt zusammen, sodass sie geschützt vor Futter suchenden Kleinvögeln fressen können. Im Garten beobachten wir den Distelfalter am leichtesten an den Blüten der Schmetterlingsflieder, der auch Buddleja genannt wird.