50 Jahre Gefängnis für Liberias Ex-Diktator Charles Taylor
Kriegsherr, Ex-Diktator und nun verurteilter Verbrecher: Liberias ehemaliger Präsident Taylor wandert für Jahrzehnte hinter Gitter. Er wird als erster früherer Staatschef seit den Nürnberger Prozessen verurteilt.
Den Haag – Der frühere liberianische Staatschef Charles Taylor ist wegen Kriegsverbrechen in Sierra Leone zu 50 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Sondertribunal im niederländischen Leidschendam bei Den Haag verkündete am Mittwoch das Strafmaß, nachdem Taylor bereits am 26. April schuldig gesprochen worden war. Taylor ist der erste Staatschef seit dem Zweiten Weltkrieg, der in einem internationalen Prozess verurteilt wurde.
Die Kammer habe Taylor einstimmig zu 50 Jahren Haft verurteilt, sagte Richter Richard Lussick. Der 64-Jährige sei dafür verantwortlich, zu einigen der „hasserfülltesten Verbrechen der Menschheitsgeschichte“ aufgerufen und diese geplant zu haben. Die Auswirkungen dieser Verbrechen auf die Familien der Opfer sowie auf die Gesellschaft im Allgemeinen seien „verheerend“ gewesen. „Die Kammer hat zahlreiche Überlebende während ihrer Aussagen weinen sehen“, sagte Lussick.
Da das UNO-Sondertribunal für Sierra Leone in Den Haag ihm am Mittwoch die bereits abgesessene Zeit in Gewahrsam anrechnete, bleiben knapp 44 Jahre. Das kommt für den 64-Jährigen einer lebenslangen Strafe gleich. Die Anklage hatte am 3. Mai eine Haftstrafe von 80 Jahren „empfohlen“, was von der Verteidigung als „unverhältnismäßig und überzogen“ zurückgewiesen wurde.
Die Richter erklärten zur Urteilsbegründung, Taylor habe zwar eine entscheidende Rolle bei den Verbrechen gespielt, allerdings nicht die „effektive“ Kontrolle über die Rebellen in Sierra Leone gehabt, die unmittelbar für die Straftaten verantwortlich seien. Allerdings komme erschwerend hinzu, dass Taylor das „öffentliche Vertrauen“ als Präsident Liberias „verraten“ und zudem keine Reue gezeigt habe.
Taylor: „Alles für den Frieden getan“
Taylor, in einen schwarzen Anzug gekleidet, nahm das Urteil mit geschlossenen Augen entgegen. Er hatte auf nicht schuldig plädiert. Zuletzt hatte sich Taylor Mitte Mai vor Gericht geäußert und erklärt, er habe „alles für den Frieden“ in Sierra Leone getan. Der Staatsanwaltschaft warf er vor, Zeugen gekauft und bedroht zu haben. Wie die Anklage hat auch die Verteidigung Taylors die Möglichkeit, das Urteil und das Strafmaß anzufechten. Ein entsprechender Berufungsantrag muss innerhalb von 14 Tagen eingereicht werden.
Taylor war am 26. April von dem internationalen Tribunal für schuldig befunden worden, als Präsident Liberias während des Bürgerkriegs im benachbarten Sierra Leone die Rebellen der Revolutionären Vereinten Front (RUF) unterstützt zu haben. Taylor bewaffnete nach Überzeugung des Gerichts die Rebellen, die Kindersoldaten rekrutierten und Gräueltaten an Zivilisten begingen, und ließ seine Truppen an deren Seite kämpfen. Im Gegenzug soll sich Taylor sogenannte Blutdiamanten beschafft haben. Während des Krieges wurden zwischen 1991 und 2002 etwa 120.000 Menschen getötet.
Mia Farrow und Naomi Campbell sagten als Zeugen aus
In dem Prozess mit über 100 Zeugen, der am 4. Juni 2007 eröffnet worden war, sagten Prominente aus wie die US-Schauspielerin Mia Farrow, der frühere südafrikanischen Präsident Nelson Mandela und das britische Top-Model Naomi Campbell. Sie hatte einst nach einem Benefiz-Dinner in Kapstadt Diamanten geschenkt bekommen, die laut Anklage von Taylor stammten.
Der heute 64-jährige Taylor war zwischen 1997 und 2003 Präsident von Liberia. Nach einer Rebellion flüchtete er 2003 aus Liberia und wurde 2006 im nigerianischen Exil festgenommen. Aus Sicherheitsgründen wurde der Prozess 2006 von Freetown in Sierra Leone nach Leidschendam in den Niederlanden verlegt.
Taylor soll seine Haftstrafe in einem britischen Gefängnis verbüßen. Das Angebot Großbritanniens aus dem Jahr 2007, Taylor im Falle eines Schuldspruches in Haft zu nehmen, war Teil der Abmachung, ihn in den Niederlanden vor Gericht zu stellen.
Das Strafmaß wurde von den Opfern des Bürgerkriegs in Sierra Leone am Mittwoch mit Freude aufgenommen. Bereits die Verurteilung Taylors im April war von der internationalen Gemeinschaft und zahlreichen Nichtregierungsorganisationen begrüßt worden. Es handle sich um eine „historische Entscheidung“ im Kampf gegen die Straflosigkeit, hieß es. (APA/dpa)