Natur

Besinnung mit Tausenden Pilgern

Ein ÖBB-Pilgersonderzug brachte Mitte Mai 500 Tiroler von Innsbruck nach Lourdes. Während bei ihrer Abreise lockere Aufbruchsstimmung herrschte, glichen die Pilger eine Woche später bei ihrer Ankunft einer großen Familie – einer, die unendliche Gelassenheit und innere Ruhe ausstrahlt.

Von Stefanie Kammerlander

Wunder gibt es immer wieder – sang seinerzeit Katja Ebstein. Wunder, Wunderheilungen soll es ja in Lourdes zur Genüge gegeben haben. Nur – die besungenen oder überlieferten Wundererzählungen bewegten vermutlich keinen der 500 Tiroler, diese spezielle Reise anzutreten.

Was sich Teilnehmer von der Pilgerreise erwarteten und ob sich Träume und Hoffnungen erfüllt haben, erzählen sie nach ihrer Ankunft selbst: Für Barbara Grüner (50) aus Obergurgl war‘s eine Reise ins Ungewisse. „Natürlich war ich ein bisschen nervös – schließlich war das meine erste Pilgerreise“, erzählt die Tirolerin, die von Verwandten zur Reise überredet worden war. „Jetzt weiß ich, dass das nicht meine letzte Pilgerfahrt gewesen ist“, lacht sie und zieht ihre geliebten Berge als Vergleich heran.

„Als würde man einen Berg erklimmen und danach diese schöne Müdigkeit genießen“, sagt sie. Innerhalb kürzester Zeit habe sie sich unter all den fremden Menschen gefühlt wie in einer großen Familie. „Man hat mit jedem ohne geringste Schwellenangst reden können.“ Für die feine zwischenmenschliche Stimmung waren drei Herren verantwortlich, die nur dickstes Lob ernteten: die kirchlichen Begleiter, Monsignore Helmut Gatterer, der Matreier Dekan Gustl Ortner und Edi Niederwieser aus Tux.

Lourdes ist einer der weltweit am meisten besuchten römisch-katholischen Wallfahrtsorte. 1858 soll Bernadette Soubirous nahe der Grotte Massabielle mehrfach Erscheinungen in Form einer weiß gekleideten Frau gehabt haben. In der Grotte soll während einer dieser Erscheinungen eine Quelle freigelegt worden sein. Ihr werden Heilkräfte zugeschrieben. Nach den überlieferten Worten der Ordensfrau hat die Mutter Gottes sie beauftragt, eine Kirche auf der Grotte zu errichten.

Heute profitiert der Tourismus von den Pilgerreisen. Die Gemeinde Lourdes ist mit über sechs Millionen Übernachtungen jährlich nach Paris die Nummer zwei im touristischen Geschehen.

„Es ist fast unbegreiflich, dass trotz der Tausenden Menschen ein perfekter Ablauf überhaupt möglich ist“, wundert sich Heinrich Seelaus aus Innsbruck. Er spricht von rund 15.000 Pilgern, die gleichzeitig in der Grotte beten. „Trotzdem herrscht Ruhe und jeder hat genügend Zeit zur Besinnung.“

Nach der Rückkehr von Lourdes kann Seelaus über seine anfängliche Skepsis nur schmunzeln: „Ich war ein bisserl sauer, weil mich meine Frau Elisabeth zur Pilgerreise überredet hat“, erzählt der Innsbrucker. „Aber kein Urlaub könnte schöner sein als dieses Erlebnis“, weiß er im Nachhinein. Die Lichterprozession mit Tausenden Menschen im Freien und viele ergreifende Momente in den Kirchen haben ihm neue Erkenntnisse gebracht, der Glaube sei in dieser Zeit gewachsen.

Ergreifend fand auch die Osttirolerin Rosemarie Presslaber diese Pilgerreise. Gute, lange Gespräche hat sie besonders genossen und auch den Umstand, dass man absolut jede Frage stellen konnte. „Und wir hatten auch die besondere Ehre, die Mutter-Gottes-Statue tragen zu dürfen“, erzählt sie ehrfürchtig.

Bewegend, ergreifend, überwältigend – viele Heimkehrer erzählen von einer völlig neuen Sicht zum Thema Kirche und Glaube. „Wer an diesen heiligen Stätten gewesen ist, diese wunderbaren Messen mit viel Musik miterlebt hat, der weiß nun um das Geheimnis der Pilgerfahrten“, schwärmt ein junger Mann.

Freundschaften sind entstanden und viele der 500 Reisenden spekulieren schon mit der nächsten Pilgerreise.