„Viele glauben, sie können Chef sein“
Wechsel vom legeren Uni-Alltag ins starre Berufsleben: BWL-Studenten finden sich als Jobeinsteiger rasch zurecht, weiß AMS-Experte Lergetporer. Psychologe Pajek betrachtet Veränderungen im Leben positiv.
Von Benjamin Kiechl
Innsbruck –Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Für Akademiker, die nach absolviertem Studium erstmals ins Berufsleben eintauchen, kann der Start ein Sprung ins kalte Wasser sein. Die Umstellung vom flexiblen Studentenalltag in starr geplante Berufsstrukturen mit Fünf-Tage-Woche verändert den Lebensrhythmus schlagartig.
„Die größte Umstellung war, dass ich mir meine Zeit nicht mehr selber einteilen kann. Auf der Uni habe ich selber ausgewählt, welche Kurse ich mache. Jetzt ist der Tagesablauf vorgegeben“, sagt Mario Nuderscher. Nach Abschluss seines BWL-Studiums wechselte der Innsbrucker vor 2,5 Jahren in die IT-Abteilung von Swarovski.
Eine berufliche Herausforderungen, die sein Leben veränderte: „Früher aufstehen zu müssen, war für mich nicht das Problem. Aber die Umstellung auf nur fünf Wochen Jahresurlaub war anfangs ungewohnt“, erzählt der 28-Jährige. Ein geregelter Tagesablauf bringe aber auch Vorteile mit sich: Am Wochenende könne er sich als Berufstätiger besser entspannen als in früheren Zeiten: „Vor Klausuren herrschte bei mir am Samstag und Sonntag immer volles Programm. Da habe ich manchmal die Nacht zum Tag gemacht“, schmunzelt Nuderscher.
Dass der Einstieg ins Berufsleben bei Nuderscher dennoch gut klappte, ist für Roland Lergetporer vom BerufsInfoZentrum (BIZ) des AMS Tirol keine Überraschung: „BWL-Studenten werden schon im Studium auf die Anforderungen der Wirtschaft hingetrimmt.“ Auch Juristen, Mediziner und Absolventen technischer Studien würden auf eine rasche Studienzeit achten, damit sie bald im Berufsleben Fuß fassen können. „Die meisten Absolventen sind zäh. Und sie sind froh, dass sie das Studium endlich abgeschlossen haben.“
Bei Absolventen von geisteswissenschaftlichen Studienrichtungen sei zum Teil eine andere Lebenseinstellung zu beobachten, weiß Lergetporer: „Sie sind nicht so auf die Karriere fixiert. Viele machen sich keinen Stress, rasch ins Berufsleben einzusteigen.“ Sie würden mehr das Uni-Leben genießen, sagt der AMS-Berater. „Pädagogen, Literaturwissenschafter und Historiker kosten ihren Studentenstatus gerne aus.“
Berufseinsteiger würden sich oft mit zu hohen Erwartungen in ihren ersten Job stürzen: „In den vergangenen Jahren ist eine Nivellierung nach unten im Gange“, erklärt Lergetporer. „Tätigkeiten, die früher Personen mit einer Lehre oder Abschluss einer mittleren Schule machten, werden nun von Akademikern durchgeführt.“ Speziell in der Verwaltung, bei Versicherungen und Banken sei das der Fall. „Heute stehen fallweise Betriebswirte in den Filialen hinter dem Schalter, früher waren es meist Handelsschüler.“
Die Annahme, dass man mit einer akademischen Ausbildung in der Hierarchie des Betriebs ganz oben einsteigt, sei falsch: „Viele glauben, sie können gleich der Chef sein. Fakt ist, dass Uni-Absolventen kaum Berufspraxis aufweisen. Und auch darauf kommt es an“, betont Lergetporer.
Für den Innsbrucker Psychologen Christian Ludwig Pajek sind Anpassungsprobleme beim Einstieg ins Berufsleben selten. „Die jetzige Generation der Studenten hat durch die Verschulung der Universitäten einen durchstrukturierten Alltag, der sich vom Berufsalltag nicht gravierend unterscheidet.“
Mitunter könne der Wechsel vom Studenten zum Berufstätigen allerdings mit Emotionen verbunden sein: „Das ist eine Identitätsgeschichte. Die Studentenzeit ist vorbei, die Leute nehmen Abschied und beginnen einen neuen Lebensabschnitt“, sagt der Psychologe.
Veränderungen im Leben sollten positiv betrachtet werden, besonders wenn ein spannender Beruf winkt: „Der Mensch möchte sich immer weiterentwickeln. Darauf strebt er hin“, sagt er.