Doppelgänger und das Glück beim Telefonieren

Isabel Kleefeld hat Daniel Kehlmanns Episodenroman „Ruhm“ in einen geschwätzigen Episodenfilm über das Telefonieren verwandelt.

Von Peter Angerer

Innsbruck –Lange vor der Digitalisierung des Kinos verschwanden die analogen Telefonapparate aus dem Alltag und damit auch aus den Kino­geschichten. Diese technische Veränderung stürzte vor allem die Autoren in ein dramaturgisches Dilemma. In der Ära der Wählscheibe reichten schon ein paar Anrufe, um ein Drehbuch zu füllen. Als Sensation wurde das erste weiße Telefon gefeiert, das in Filmen mit Doris Day etwa immer im Schlafzimmer stand. Da im analogen Zeit­alter auch so genannte Teilanschlüsse vergeben wurden, ließen sich daraus wieder gemütliche Komödien­ entwickeln­, beispielsweise wenn sich Doris Day und Rock Hudson einen Anschluss teilen mussten und der Hallodri mit schlüpfriger Verbalerotik die Leitung blockierte. Liebes­paare versäumten sich um Jahre, weil keine Telefonzelle in erreichbarer Nähe lag. Daneben gab es aber auch den Telefonterror. Anonyme Anrufer stöhnten oder drohten und plötzlich war Schluss mit verwanzten Hörern und Telefongeflüster. Die Filme wurden schneller. Aber, mag sich die Regisseurin Isabel Kleefeld gedacht haben, was sich einmal bewährt hat, muss auch mit dem Mobil­telefon funktionieren. Die literarische Vorlage „Ruhm“ hat Daniel­ Kehlmann geschrieben, der seit seinem Weltbestseller „Die Vermessung der Welt“ mit allen Schattierungen des Ruhms vertraut ist.

Der Techniker Joachim Ebling­ (Justus von Dohnányi­) wagt sich erstmals an ein Handy und versucht es mit dem schlichten Einsteigermodell einer finnischen Firma­. Zur Verblüffung des Verkäufers verweigert er die beliebten Smartphones. Bereits auf dem Nachhauseweg eröffnen sich ihm die Wunder­ moderner Kommunikation. Ebling lernt fremde Menschen kennen, die ihm enorme Summen und – gratis – erotische Spiele offerieren. Leider gelten diese­ Angebote dem Schauspieler Ralf Tanner­ (Heino Ferch), mit dem sich Ebling die Nummer teilt. Die Anrufer halten ihre Nummern unterdrückt, weshalb Rückrufe ins Leere zielen.

Ralf Tanner hat nicht nur Pech mit den Medien und der doppelten Telefonnummer, bei Doppelgängerwettbewerben kann er nicht einmal als sein Double punkten. In solchen Momenten könnte ein Porträt durch einen seriösen Schriftsteller helfen.

Der Autor Leo Richter (Stefan­ Kurt) tourt gerade mit seiner Gefährtin Elisabeth (Julia Koschitz) durch Goethe-Institute in Südamerika und schreibt unterwegs die Geschichte Rosalies (Senta Berger) auf, die ihre tödliche Krebserkrankung bei einer Schweizer Sterbehilfeorganisation abkürzen möchte. Davor würde sie gerne ihr unbenütztes Handy retournieren und zwar in jenem Geschäft, wo Ebling bedient worden ist. Während Rosalie nur auf Ordnung bedacht ist, hämmert Ebling sein Mobilgerät zu Schrott. Leo Richter sollte noch eine Tour durch ehemalige Sowjetrepubliken machen, aber da er in Zürich den Dürrenmatt-Preis entgegennehmen darf, schickt er die Krimiautorin Maria (Gabriela Maria Schmeide) in den Osten. Maria hat ihr Ladegerät zu Hause vergessen, weshalb sich nur zwei letzte Nachrichten ausgehen. Anschließend stürzen Handy und Dame ab. Tanners Villa wird von einem Doppelgänger besetzt. Rosalie erfährt als Einzige Glück, der Autor schreibt sie gesund, schenkt ihr aber kein Handy.

Nach seinem Salzburger Aufbäumen gegen das Regie­theater hat Daniel Kehlmann­ endlich eine willige Regisseurin­ gefunden, die sich zur Werktreue bekennt. Aber Werktreue ist ebenfalls oft ein Missverständnis.