Weltpolitik

Weiter Streit über Weg aus Syrien-Krise

Russland hält weiterhin eine schützende Hand über das Assad-Regime. Die USA wollen notfalls den Sicherheitsrat umgehen.

Kopenhagen, Moskau, Istanbul, Stralsund – Die internationale Gemeinschaft streitet weiter über eine gemeinsame Haltung in der Syrien-Krise. US-Außenministerin Hillary Clinton warf Russland am Donnerstag Mitverantwortung für einen möglichen Bürgerkrieg in Syrien vor. Moskau dagegen äußerte sich erneut strikt gegen einen Waffengang und warnte vor einem „Missbrauch“ des Massakers in Houla (Al-Hula) zu einem Militärschlag. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und der Syrien-Sondergesandte Kofi Annan verlangte unterdessen weiter die Einhaltung einer Waffenruhe, während die syrischen Rebellen forderten, Annan müsse das Scheitern des Plans öffentlich eingestehen und damit Militärschläge gegen die Regierungstruppen legalisieren.

Clinton wirft Russland Mitverantwortung für Bürgerkrieg vor

Die US-Außenministerin kritisierte am Donnerstag Russlands Widerstand im UN-Sicherheitsrat. „Russland erklärt, dass man keinen Bürgerkrieg in Syrien wünscht. Ich sage ihnen, dass ihre Politik zu einem Bürgerkrieg beitragen wird,“ sagte Clinton am Donnerstag nach Angaben der Nachrichtenagentur Ritzau vor Studenten bei einem Dänemark-Besuch in Kopenhagen. „Hauptsächlich kommt der Widerstand aus Russland“, meinte die US-Ministerin mit Blick auf die ergebnislose Sitzung des UN-Sicherheitsrat am Mittwoch.

Die UN-Vetomacht Russland warnte dagegen mit Nachdruck erneut vor einem „Missbrauch“ des Massakers in Houla (Al-Hula) zu einem Militärschlag. „Obwohl die Hintergründe dieser Tragödie weiter unklar sind, schmieden einige Länder schon Pläne (für eine mögliche militärische Lösung)“, sagte Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow am Donnerstag nach Angaben der Agentur Itar-Tass. Moskau fühle sich „ungut“ an die Situation im ehemaligen Jugoslawien erinnert, als der Westen ohne UN-Mandat gegen die damalige Führung in Belgrad mit Waffengewalt vorgegangen sei, sagte Tschischow.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Situation in Syrien als „Katastrophe“. „Die Perspektiven sind wirklich schlecht“, sagte sie am Donnerstag nach einem Treffen des Ostseerats in Stralsund. Merkel machte deutlich, dass sie auf die Kooperation Russlands bei den Bemühungen um eine Lösung des seit Monaten anhaltenden Syrien-Konflikts setzt. Sie werde am Freitag mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin darüber sprechen, der zu seinem Antrittsbesuch nach Berlin kommt.

UN-Syrien-Sondergesandter Annan forderte weiter die Einhaltung der Waffenruhe. Alle am Konflikt beteiligten Seiten müssten die Gewalt einstellen, sagte Annans Sprecher Ahmad Fawzi am Donnerstag zu Forderungen von Rebellen, den Sechs-Punkte-Friedensplan für Syrien offiziell für gescheitert zu erklären. Der syrische Rebellenführer Riad al-Asaad hatte zuvor verlangt, Annan müsse das Scheitern des Plans öffentlich eingestehen und damit Militärschläge gegen die Regierungstruppen legalisieren. Offiziere der von ihm kommandierten Freien Syrischen Armee (FSA) stellten Damaskus zuvor auch ein Ultimatum zur Beendigung aller Kampfhandlungen bis Freitagvormittag. Andernfalls werde sie den Annan-Plan nicht mehr respektieren und angreifen.

Ban fordert zur Umsetzung des Annan-Friedensplans auf

UN-Generalsekretär Ban forderte Syrien erneut zur Umsetzung des Annan-Friedensplans auf und warnte vor einem Abgleiten in den Bürgerkrieg. Von einer derartigen Katastrophe würde sich das Land nie erholen, sagte Ban am Donnerstag in Istanbul. Möglicherweise habe Syrien mit der Tötung von 108 Zivilisten am vorigen Freitag in Houla die Schwelle zum Bürgerkrieg erreicht, zitierte Ban Befürchtungen seines Vorgängers Annan, einen - nie eingehaltenen - Waffenstillstand für Syrien ausgehandelt hatte.

Die Verantwortlichen für Gewalt und Verbrechen im Syrien-Konflikt, warnte Ban, müssten mit Strafen rechnen. „Wir sind dort, um Verbrechen zu dokumentieren und beim Namen zu nennen, so dass Straftäter zur Verantwortung gezogen werden können“, erklärte er. „Wir sind nicht dort, um passive Beobachter unaussprechlicher Grausamkeiten zu sein“, sagte er.

Hochrangige UN-Vertreter sind sich inzwischen nahezu sicher, dass das Massaker in der syrischen Ortschaft Houla, bei dem am Freitag mindestens 108 Menschen getötet worden waren, von der Armee und den gefürchteten regierungstreuen Shabbiha-Milizen verübt wurde.

Armee nimmt Beschuss von Houla wieder auf

In Syrien ging unterdessen die Gewalt weiter. Aktivisten meldeten am Donnerstag in Houla sei ein Jugendlicher von den Regierungstruppen erschossen worden. Ein lokaler Kommandant der von Deserteuren gegründeten oppositionellen Freien Syrischen Armee aus der Provinz Homs sagte im Nachrichtensender Al-Arabiya, es gebe Anzeichen für einen bevorstehenden Angriff auf zwei Dörfer in der Nähe von Houla. In diesen Dörfern hätten nach dem Massaker der vergangenen Woche zahlreiche Zivilisten aus Houla Zuflucht gesucht.

Am Mittwoch hatten die Regimegegner landesweit 48 Todesopfer gezählt. Aktivisten berichteten in der Nacht zum Donnerstag von Angriffen auf die Rebellenhochburg Al-Rastan bei Homs. (APA/AFP/Reuters/dpa)