Innenpolitik

Die Tücken mit den Volksentscheiden

Alle Parteien entdecken für sich den Ausbau der direkten Demokratie. Doch es gibt auch wachsende kritische Stimmen.

Von Michael Sprenger

Wien –Mehr Volksentscheide sollen gegen das massiv angeschlagene­ Image des herrschenden politischen Systems­ wirken­. Dies ist der Grund, warum sich die Parteien derzeit so als Fürsprecherinnen­ des Ausbaus der direkten Demo­kratie versuchen­.

Doch es gibt auch warnende Stimmen. Eine­ klare­ Position nahm hierbei Bundespräsident Heinz Fischer ein. Er spricht sich gegen eine überschießende Regelung aus, was erleichterte­ Volksabstimmungen nach erfolgreichen Volksbegehren betrifft. Und der Bundespräsident erntet­ hierfür zwar nicht von den Parteien Unterstützung, wohl aber von Verfassungsexperten.

Der frühere Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Ludwig Adamovich, sieht vor allem eine Gefahr für den Parlamentarismus. Adamovich, er ist für Fischer Berater in Verfassungsfragen, forderte im Gespräch mit der Tiroler Tageszeitung zuerst „einen Ausbau des Parlamentarismus, bevor man über ein Mehr an direkter Demokratie nachdenkt“. Auch sein Nachfolger im Verfassungsgerichtshof, Karl Korinek, warnt vor einer Schwächung des Parlaments.

Vor allem die Überlegungen, Volksbegehren und Volksbefragungen ab einem gewissen Quorum in eine verbindliche Volksabstimmung überzuführen, stößt bei Experten­ auf Kritik.

Für Univ.-Prof. Heinz Mayer hat das repräsentativ-demokratische System den Sinn, die politische Willensbildung zu rationalisieren und „von zufälligen Befindlichkeiten“ unabhängig zu machen. „Bedenken“ hat auch Univ.-Prof. Bernd Christian Funk. Für ihn würde­ eine solche Änderung „das System der demokratischen Gesetzgebung auf den Kopf stellen“.

Das sagt auch Adamovich. Deshalb käme so eine Systemänderung auch einer Änderung der Bundesverfassung gleich, was wiederum eine­ Volksabstimmung notwendig machen würde. „Also muss eine Volksabstimmung zur Frage durchgeführt werden, ob man mehr Volksabstimmungen haben will. Das klingt ein wenig skurril.“ Zudem warnt der frühere VfGH-Präsident vor den Gefahren des steigenden Populismus beim Ausbau der direkten Demokratie. „Das zentrale Problem ist aber für mich die Tatsache, dass man nicht über alle Fragen eine Volksabstimmung durchführen kann. Es gibt internationale Vertragsverpflichtungen ebenso wie Fragen der Menschenrechte. Also bedarf es eines Filters, damit eben nicht alle­ Fragen mittels Volksabstimmung geklärt werden können. Ein Filter also, der als Barriere dafür herhalten muss, um zu klären, worüber das Volk befragt werden darf. So ein Filter wird zwangsläufig Kritik erzeugen“, glaubt Adamovich. „Die Bevölkerung würde mit Erstaunen registrieren­, dass die von ihnen gewählten Parlamentarier darüber entscheiden, worüber die Wähler abstimmen dürfen und worüber nicht. Ich bin auf diese Liste schon neugierig“, sagte­ kürzlich der Bundes­präsident dem Kurier.