Landesmuseum Ferdinandeum

Malerisch kippende Idyllen

Um eine aus den Fugen geratene Welt geht es in der Ausstellung „Blickwechsel. Landschaft zwischen Bedrohung und Idylle“ im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum.

Von Edith Schlocker

Innsbruck –Tirol lebt zu einem guten Teil von seiner Landschaft. Die nicht erst seit heute eine bedrohte ist, wie Künstler als feinnervige Seismographen der Gesellschaft vielleicht als Erste orten. Dieses Phänomen der „Landschaft zwischen Bedrohung und Idylle“ führt die von Günter Dankl kuratierte große Sommerausstellung des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum anhand von 90 Bildern – 80 davon Leihgaben – eindrucksvoll vor.

Um bereits beim Einstieg in die Schau zu zeigen, dass die landschaftliche Idylle schon im 16. und 17. Jahrhundert von Künstlern als bedroht empfunden wurde. Etwa von einem unbekannten Niederländer, in dessen unübersehbar von Hieronymus Bosch inspirierter „Versuchung des heiligen Antonius“ die Idylle ins brennende Inferno kippt. Ein Wunschbild von Caspar David Friedrich war leider nicht zu bekommen, um sich mit einem ähnlich romantisch durchpulsten von Anton Schiffer zufriedenzugeben.

Um nun sehr abrupt im frühen 20. Jahrhundert bei Franz Radziwill, Rudolf Wacker und Franz Sedlaceck zu landen, drei wesentlichen Exponenten der Neuen Sachlichkeit. Sie schildern detailgetreu eine Wirklichkeit, die nur auf einen ersten Blick wirklich ist. Sondern zur raffinierten Metapher für existenzielle Bedrohtheit wird, für die Ausgesetztheit des Menschen irrealen wie auch sehr realen Mächten.

Höchst subtil zelebriert von Rudolf Wacker, der die Idylle seiner Vorarlberger Heimat und die Borniertheit seiner Mitmenschen als persönliche Bedrohung empfand. Und so stellt er einen stacheligen Kaktus in ein Fenster seiner putzig spitzgiebeligen Spielzeugwelt, die Puppe mutiert zur Vogelscheuche, der Maler, der seinen Pinsel aus der Hand gelegt hat, wird zum Gekreuzigten.

Grotesk geht es dagegen in den düsteren, von starken Kontrasten dominierten Bildern des etwa gleichaltrigen Franz Sedlacek zu. Kleine Menschlein rennen hier in Aufruhr durch Städte, schleichen durch dunkle Gassen oder flüchten – oft per Auto – aus von Gewittern bedrohten magischen Landschaften.

Eigenartig geflügelte Wesen treiben sich auch in den surrealen Landschaften des Norddeutschen Franz Radziwill herum. Er empfand die Welt als „unheimlich“, gelenkt von nur erahnbaren außerirdischen Mächten.

Der eine Generation jüngere Anton Lehmden ist der Maler menschenleerer, von bodenlosen Kratern durchfurchter Landschaften. Als scharfer Zivilisationskritiker ist seit Jahrzehnten der 1937 geborene Haller Max Peintner malend und zeichnend unterwegs. Die landschaftlichen Idyllen sind bei ihm gestört, allerdings nur auf Zeit, bis die Wunderwerke moderner Technik wieder von der Natur zurückerobert werden. Wie brüchig unser Blick auf die Wirklichkeit ist, zeigen Bilder, in denen sich Abbildhaftes mit naturwissenschaftlichen Phänomenen des Sehens überblendet.

Die „Landschaft zwischen Bedrohung und Idylle“ ist aber auch ein Thema, dem sich eine junge Malergeneration widmet. Bestückt ist dieser – von Günther Moschig kuratierte – Ausstellungsteil mit in ihrer Vielschichtigkeit reizvollen Beispielen. Etwa einem subversiv hintergründigen Bild des Leipziger Malerstars Neo Rauch oder einem prächtigen Stimmungsbild von Peter Doig. Expressiv ist der junge Tiroler Markus Bacher zugange, surreal naiv der Vorarlberger Bernhard Buhmann. „Future Funk“ nennt Markus Draper sein 2004 gemaltes Bild, sehr private Beziehungskisten umkreist Aris Kalaizis. Die Ereignisse von Katrina haben Ingmar Alge zu seinem trotz aller Tristesse hoffnungsfrohen Bild inspiriert, während in dem von Maja Vukoje voll Magie die Ebenen des Realen und Irrealen verfilzen.

Begleitet wird die Schau von einem schön gemachten, von Folio verlegten Katalogbuch.