Der Konflikt mit dem Iran ist auch ein Krieg um das Öl
Laut US-Konfliktforscher Klare gehe es den USA in erster Linie um die Kontrolle des Ölnachschubs. In Israel warnen Militärs vor einem Angriff.
Wien, Tel Aviv –Im Atompoker mit dem Iran wird derzeit noch am Verhandlungstisch nach Lösungen gesucht. Doch ein Angriff auf iranische Atomanlagen liegt nach wie vor in der Luft. Besonders Israel warnt die Welt vor einer iranischen Bombe und hat Pläne für einen Angriff längst in der Schublade. Die USA üben sich noch in Zurückhaltung. Michael T. Klare, US-amerikanischer Konfliktforscher, sieht eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ eines bewaffneten Konflikts mit dem Iran, sollte die nächste Verhandlungsrunde im Atomkonflikt scheitern.
Die nächste Gesprächsrunde ist für den 18. und 19. Juni in Moskau vereinbart. „Der Fokus der öffentlichen Diskussion des Konflikts ist auf den Massenvernichtungswaffen, die Wurzeln des Konflikts liegen aber im Fluss des Erdöls“, sagte Klare am Rande einer internationalen Konferenz in Wien.
Bereits in den Jahren 1986 und 1987, während des Kriegs zwischen Irak und Iran, sei es zu Zusammenstößen zwischen dem iranischen Militär und der US-Navy gekommen. Der Iran bemühe sich nun offenkundig, Nuklearwaffen zu entwickeln, und das sei in dem heutigen Konflikt ein neues Element. Hätte der Iran Atomwaffen, meint Klare, würde das „die Fähigkeit der USA, in dieser Region militärisch aktiv zu werden, beeinträchtigen“. Spätestens seit der Carter-Doktrin aus dem Jahr 1980 beanspruchten die USA dieses Recht für den Fall, dass der Ölnachschub aus der Region bzw. durch die Straße von Hormus gefährdet sei.
Der Politologe aus Massachusetts glaubt zwar nicht, dass sich China und Russland in einen bewaffneten Konflikt unmittelbar einmischen würden, in den vergangenen Jahren habe sich speziell zwischen den USA und China aber eine gefährliche „Vorkriegssituation“ entwickelt. Das zeige sich an den Waffenlieferungen für regionale Rivalen, aber auch in zunehmenden militärischen Reibereien zwischen China und den USA im Pazifik.
Europa befinde sich laut Klare im Spannungsfeld einer anderen geopolitischen Rivalität – der zwischen Russland und den USA. In beiden Machtblöcken hätten noch immer die „kalten Krieger“ das Sagen. Die USA versuchten, die Abhängigkeit Europas von russischem Öl und Gas zu verringern, „die Gaspipeline Nabucco hat ihre Wurzeln in dieser geopolitischen Bemühung,“ so Klare. Ob sich Europa letztlich auf eine Seite schlagen müsse, beantwortete Klare so: „Europa muss sich entscheiden und hat das schon bisher tun müssen.“
Doch trotz des immer lauter werdenden Säbelrasselns im Konflikt mit dem Iran mehren sich auch jene Stimmen, die einen Angriff ablehnen. Auch aus Israel. So ist die Mehrheit der israelischen Verteidigungschefs gegen einen Militärschlag. Laut dem israelischen Internetportal Ynet hätten sich Generalstabschef Benny Gantz, Mossad-Chef Tamir Pardo und andere hochrangige Geheimdienstfunktionäre in diesem Sinne geäußert.
Widerstand gegen einen Militärschlag gegen den Iran regte sich auch innerhalb des aus neun Ministern bestehenden Sicherheitskabinetts von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. Während Verteidigungsminister Ehud Barak und Außenminister Avigdor Lieberman für einen Angriff auf iranische Atomanlagen eintreten, äußerten Vizepremier Moshe Yaalon, Kadima-Vorsitzender Shaul Mofaz sowie die Minister Dan Meridor, Benny Begin, Eli Yishai und Yuval Steinitz ihre Ablehnung.
Ohne die Unterstützung von Generalstabschef Gantz seien die Chancen auf Durchführung eines Militärschlags gering, verlautete aus politischer Quelle gegenüber Ynet.
Israel müsse die internationale Gemeinschaft dazu drängen, so einschneidende Sanktionen gegen die iranische Wirtschaft zu verhängen, dass diese in Trümmer gelegt werde. Da gebe es noch Spielraum. Die USA und Europa zögerten jedoch, insbesondere aus Angst vor weiter steigenden Ölpreisen. (APA, TT)