Der anarchistische Kasperl und das böse System
„Wir sind dagegen“: Kabarettist und Wutbürger Roland Düringer diskutiert mit zwei Philosophen über den Zustand der Welt.
Von Joachim Leitner
Innsbruck –Im Dezember vergangenen Jahres redete sich Roland Düringer in der letzten Folge der ORF-Sendung „Dorfers Donnerstalk“ ordentlich in Rage. Er sei wütend, auf den Zustand der Welt, auf Polit-Kasperln, die ihre Aufgaben vergessen haben, auf die Medien, die einen mit geistigem Müll oder mit Falschinformationen zuschütten, auf gierige Konzerne und vergiftetes Fastfood. Kurz: Düringer empörte sich – getreu dem Aufruf des Ex-Resistance-Kämpfers Stéphane Hessel – gewaltig. Dafür gab es im Studio stehende Ovationen und der Kabarettist hatte ein neues Image. Von nun an galt er als österreichischer Vorzeige-Wutbürger, der dem Unbehagen des viel zitierten kleinen Mannes von der Straße Ausdruck verlieh.
Allein auf Youtube wurde Düringers Wutrede über 200.000 Mal angeklickt und auch außerhalb des vergleichsweise geschützten Rahmens einer Satire-Show gab der Kabarettist fortan den antikapitalistischen Wüterich. Dass er bei diesen Auftritten, auf Veranstaltungen der „Occupy“-Bewegung etwa oder im beinahe staatstragenden „Club 2“, mitunter Bedenkliches von sich gab, dass es ihm – um nur ein Beispiel zu nennen – bei „einigen lieber wäre, wenn sie nicht wählen dürften“, wurde nur allzugern überhört. Die Freude darüber, dass der Zorn der ominösen 99 Prozent nun endlich auch hierzulande ein Gesicht bekommen hat, war wohl zu groß.
Eine der Inspirationsquellen für Düringers Empörung, daraus hat er nie einen Hehl gemacht, war das Buch „Vom Systemtrottel zum Wutbürger“, das die beiden – so jedenfalls die Selbstauskunft am Buchrücken – „Philosophen“ Eugen Maria Schulak und Rahim Taghizadegan 2011 veröffentlicht haben. Das Buch hat sich, vor allem nach Düringers Auftritt, gut verkauft und der Verlag – ein bisschen Gewinnorientierung wird auch in kapitalismuskritischen Kreisen geduldet – setzt die drei widerständischen Grantler an einen Tisch und lässt sie über Politik und Wirtschaft, über Gesellschaft und Medien, sprich über „das System“ diskutieren. Aber mit Begriffsklauberei, was genau als „das System“ zusammengefasst wird, will man sich nicht lange aufhalten. Fakt ist, das System ist böse. Böse und hinterfotzig, weil es nicht, wie früher, als man bewaffnet aufeinander losging, offen auftritt, sondern durch die Hintertür ins Leben der Menschen tritt. Es gaukelt den Menschen Entscheidungsfreiheit vor und dann tragen trotzdem alle dieselben T-Shirts aus denselben Läden. Der einzige Ausweg ist es, „das System überflüssig zu machen, es zu zerlegen. Jeder für sich.“ Mit anderen Worten: Düringer und seine Gesprächspartner fordern den Rückzug aus gesellschaftlichen Zusammenhängen. Letztlich kriegen nur Selbstversorger und Individualisten die Kurve.
„Was es braucht“, sagt Düringer, „ist der Mut zu sagen: Das, was ich bis jetzt gemacht habe, war ein Blödsinn, ein Fehler. Fangen wir ganz woanders an. Jetzt mache ich Marmelade – die beste Erdbeermarmelade auf der Welt.“ Mit einer ernsthaften Analyse der gegenwärtigen Verhältnisse hat das alles wenig zu tun. Roland Düringer taugt vielleicht zum Marmeladenmacher, das Zeug zum Zeitdiagnostiker hat er nicht.