Nach Bluttat in St. Pölten: Debatte über Betretungsverbot
Auch in Tirol wird, nachdem ein Achtjähriger in der Volksschule von seinem Vater erschossen wurde, über ein Kontaktverbot diskutiert.
Von Katharina Zierl und Matthias Christler
Innsbruck –„Kein Gesetz hätte die Bluttat in St. Pölten verhindern können“, sagt Tirols Kinder- und Jugendanwältin Elisabeth Harasser. Der Fall des Achtjährigen, der in einer niederösterreichischen Schule von seinem Vater getötet wurde, hatte die Debatte um eine Verschärfung des Betretungsverbots neu angeheizt.
Harasser warnt vor „gesetzlichen Schnellschüssen“. Es handle sich um einen tragischen Fall. Von einem gesetzlich verordneten Kontaktverbot in Verbindung mit dem Betretungsverbot, das sich nur auf die Wohnung bezieht, hält sie nichts. „Man muss sich jeden einzelnen Fall genau anschauen. Eine Generalisierung wäre hier falsch. Natürlich ist es in Härtefällen, wenn ein Mann beispielsweise Frau und Kind schlägt, nötig, dass es keinen Kontakt mehr gibt. Aber jeder Fall ist anders“, betont die Kinder- und Jugendanwältin.
Die derzeitige gesetzliche Regelung habe sich „sehr gut bewährt. Derzeit gibt es, wenn es zu gewalttätigen Übergriffen gibt, die Möglichkeit, ein zweiwöchiges Betretungsverbot zu erwirken. Darüber hinaus kann beim Gericht eine einstweilige Verfügung beantragt werden“, erklärt Harasser.
Im vergangenen Jahr musste die Polizei in Tirol insgesamt 441 Mal ein Betretungsverbot aussprechen – ein Höchststand in den vergangenen fünf Jahren. 829 Kinder waren als Opfer direkt betroffen oder als Zeugen mitbetroffen, der Großteil im Alter von 0 bis 5 Jahren.
Das Betretungsverbot solle für eine Abkühlung und Besinnung sorgen: „Und in vielen Fällen tut es das auch“, sagt die Kinder- und Jugendanwältin. Insgesamt wünscht sich Harasser, „dass man noch genauer hinschaut und bei jedem Fall hinterfragt, welche Maßnahmen zielführend sind“. In machen Fällen sei es durchaus sinnvoll, „Schule oder Kindergarten zu informieren, dass es ein Gefahrenpotenzial gibt“. Ähnlich argumentiert Silvia Rass-Schell, Leiterin der Jugendwohlfahrt. Eine generelle Ausweitung des Betretungsverbotes in jedem Fall wäre nicht sachgerecht. „Für den Einzelfall sollten jedoch rechtliche Möglichkeiten geschaffen werden, damit dies schneller durchgesetzt werden kann“, sagt Rass-Schell.
Sozialarbeiter der Jugendwohlfahrt suchen nach dem Eingang einer Meldung den Kontakt mit Betroffenen. Bei einem Hausbesuch wird abgeklärt, welche Hilfestellung erforderlich ist. Und es werde ein mögliches Risiko für die Kinder besprochen, fügt Rass-Schell an. „Nur bei Gefahr im Verzug kann der Jugendwohlfahrtsträger sofort eingreifen.“ Ansonsten könne lediglich das Gericht in das Recht des Obsorgeträgers, von dem eine Gefährdung ausgeht, eingreifen. Meist ist das der Vater.
Die von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner eingesetzte „Task Force“, die Maßnahmen erarbeiten soll, wird auch über die Ausweitung des Betretungsverbots diskutieren. Bereits jetzt werden das Für und Wider besprochen, Gegenargumente wie eine nicht mögliche Kontrolle angeführt. Franz Preishuber, Obmann des Kinderschutzbundes Tirol, hält das für eine Schutzbehauptung: „Schon jetzt wird etwa an den Schulen genau geschaut, ob bestimmte Leute das Recht haben, die Schule zu betreten. Wenn nicht, werden sie verwiesen. Die Kontrolle ist möglich, aber als Lösung für das Problem hat das keine Auswirkungen“, fährt er fort. Es müsse bei der Elternbildung angesetzt werden. „Freiwillig funktioniert das nicht. Wenn man aber im Zusammenhang mit dem Wegweisungsrecht verpflichtende Elternbildungsmodule einführt, dann wird das wahrgenommen“, sagt Preishuber. Das Angebot gebe es ja schon. „Also braucht es auch keine zusätzliche Finanzierung.“