Weltpolitik

Gnade oder Strick: Urteil im Mubarak-Prozess

Kairo – Nach über 30 Jahren an der Macht wurde Ägyptens Langzeitherrscher Hosni Mubarak am 11. Februar des Vorjahres unter dem Druck landesw...

Kairo –Nach über 30 Jahren an der Macht wurde Ägyptens Langzeitherrscher Hosni Mubarak am 11. Februar des Vorjahres unter dem Druck landesweiter Massenproteste vom Thron gestürzt. Die arabische Revolution feierte ihren vermeintlichen Durchbruch. Im Zuge der Proteste starben rund 850 Demonstranten. Ermordet von Schergen des alten Regimes. Fast 16 Monate später soll Richter Ahmed Refaat heute das Urteil im Prozess gegen den Ex-Präsidenten sprechen. Die lautstarke Mehrheit möchte, dass der „Pharao“ sein Leben am Galgen beendet, weil er Ägypten heruntergewirtschaftet und die Menschenrechte mit Füßen getreten hat. Sollte er freigesprochen werden oder mit einer milden Strafe davonkommen, wären neue Massenproteste zu erwarten. Einige Aktivisten drohen sogar mit einer „zweiten Revolution“. Eine kleine, aber einflussreiche Minderheit in Ägypten – zu der auch etliche Generäle zählen – will ein Todesurteil aber unter allen Umständen verhindern. Zudem sollen die Saudis gedroht haben, den Geldhahn zuzudrehen und den ägyptischen Gastarbeitern das Leben schwer zu machen, falls ihrem Freund Mubarak ein Haar gekrümmt wird.

Der Staatsanwalt hat trotz all der Unkenrufe die Todesstrafe für Mubarak gefordert. Er sieht es als erwiesen an, dass Mubarak im Jänner 2011 den Befehl gegeben hat, mit scharfer Munition auf die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz, dem Epizentrum der Revolution, schießen zu lassen. Doch die laut Staatsanwaltschaft „unwiderlegbaren Beweise“ werden von einflussreicher Seite in Zweifel gezogen. Viele Juristen vermuten deshalb, dass Mubarak lediglich in dem zweiten Anklagepunkt – Korruption und Verschwendung öffentlicher Gelder – schuldig gesprochen wird. Das würde dann auf eine Haftstrafe von drei bis 15 Jahren hinauslaufen. Aus Sicht der Angehörigen der rund 850 Toten vom Tahrir-Platz wäre dies nicht ausreichend. Die so genannte Revolutionsjugend würde wohl auf die Barrikaden gehen. Denn nachdem ihr Traum von einem Systemwechsel an den Wahlurnen zerplatzt zu sein scheint, sind sie umso mehr von der Idee beseelt, Mubarak am Galgen baumeln zu sehen. Dann wäre aus ihrer Sicht wenigstens eine ihrer Forderungen erfüllt worden. Der mit Spannung erwartete Urteilsspruch, der live im Fernsehen übertragen werden soll, wird freilich nicht das letzte Kapitel des Mubarak-Dramas sein. Es ist davon auszugehen, dass Mubarak, der sich in allen Punkten für unschuldig erklärt hat, nach dem Urteil der ersten Instanz in Berufung geht. Bis das Berufungsgericht entschieden hat, wird er noch viele Stunden in seinem Luxus-Gefängnis verbringen. Er „residiert“ in einem Krankenzimmer im International Medical Center vor den Toren Kairos. Die Klinik hatte Mubarak einst selbst eingeweiht, in Begleitung von Feldmarschall Tantawi, dem Vorsitzenden des Obersten Militärrates und aktuellen De-facto-Herrscher Ägyptens. (dpa, jec)