Den Hunger endlich von diesem Planeten jagen
Fast eine Milliarde Menschen hungern, täglich sterben rund 7000 Kinder an den Folgen von Unterernährung - und noch immer gibt es keine weitreichenden Lösungen für den Hunger in der Welt.
Wien - Nicht schon wieder. Mit diesen Worten begannen am Freitag zahlreiche Statements bei der internationalen Caritas-Konferenz in Wien. Nicht schon wieder eine Hungerkatastrophe, nicht schon wieder Bilder sterbender Kinder, nicht schon wieder wegschauen, nicht schon wieder zu viel darüber reden und zu wenig tun.
Namhafte Redner aus Politik, Kirche und Wissenschaft mussten nicht lange nach einem gemeinsamen Nenner suchen - Einigkeit herrschte von Anfang an: Endlich Schluss mit Hunger und Armut auf dieser Welt. Ein Ziel, das bis dato noch nicht annähernd erreicht ist.
Alle zwölf Sekunden stirbt ein Kind
925 Millionen Menschen hungern. Mit dieser Zahl lässt sich allerhand anstellen. Durch acht dividiert bedeutet sie etw: 115 Mal die Bevölkerung Österreichs steckt darin. Oder diese Zahl: Alle zwölf Sekunden stirbt auf diesem Planeten ein Kind an Unterernährung. Das entspricht einem Schulbusunglück mit 50 Toten - alle zehn Minuten.
Weniger abstrakt ist die derzeitige Situation in der Sahelzone. Sie ist eher dramatisch. Neun Monate kein Regen, die Nahrungsmittelpreise auf Rekordhoch, Dürre, Hitze, Wasserknappheit, politische Unruhen, Flüchtlingsströme - und ein Rest der Welt, der wieder einmal nur zögerlich zur Hilfe eilt.
„Wir sind wütend darüber, dass so viele Menschen einen sinnlosen, vermeidbaren Tod sterben müssen. Wir alle hier haben den Hunger satt“, sprach Caritas-Präsident den Konferenz-Teilnehmern aus der Seele.
„Die internationale Staatengemeinschaft und jeder Einzelne dürfen diesen weltweit größten Skandal nicht tatenlos hinnehmen“, forderte er. Gut hörbar war der Appell für Vertreter der Bundesregierung, etwa für den für Entwicklungspolitik zuständigen Staatssekretär Wolfgang Waldner (ÖVP).
Ende der Kürzungen bei Entwicklungshilfe gefordert
Waldner verspürte schon bei den Eröffnungsreden unerwartet heftigen Gegenwind. „Hunger ist für uns ein allzu fernes Leid“, sagte Kardinal Christoph Schönborn vor mehreren hundert Zuhörern in der Akademie der Wissenschaften.
Und Richtung Waldner: „Ich bitte sie, die geplanten Kürzungen bei der Entwicklungshilfe nicht durchzuführen.“ Tosender Applaus. Gleich danach betrat Bundespräsident Heinz Fischer das Podium - und schlug dem Geistlichen spontan eine „Koalition Kirche/Staat“ vor: „Die Kürzungen sind außerordentlich schmerzlich und unerfreulich.“ Abermals tosender Applaus.
Ungerechte Verteilung Schuld an Hungerkatastrophen
Gerechtes Wirtschaften und gerechtes Umverteilen, nachhaltiges Denken und Handeln sowie ein Ende der Ausbeutung von Entwicklungsländern zugunsten einer Luxusgesellschaft, deren Konsumverhalten außer Kontrolle geraten ist: Oscar Kardinal Rodriguez, Präsident der Caritas Internationalis, versuchte erst gar nicht, das ungleiche Duell Hunger vs. Überfluss herunterzuspielen. „Armut ist ein Skandal“, polterte Rodriguez.
Nahrung sei ein „existenzielles Grundbedürfnis der Menschen“. Dennoch sei es bis heute nicht gelungen, den Hunger auf der Welt nachhaltig zu beseitigen. Die Ursache dafür sei allerdings nicht ein Mangel an Ressourcen, sondern die ungerechte Verteilung der verfügbaren Nahrungsmittel.
Überlagert von Klimawandel und Finanzkrisen
Armut und Hunger seien „alte Probleme“, die überlagert würden von Klimawandel und Finanzkrisen, erklärte Mohan Munasinghe, ehemaliger Vizepräsident des Weltklimarates und Friedensnobelpreisträger. „Doch Armut und Hunger sind noch immer die größten Probleme für nachhaltige Entwicklung. Das gilt ganz besonders für Regionen, in denen die Hungerproblematik durch die Auswirkungen des Klimawandels zusätzlich verschärft wird. Es ist ungerecht, weil diejenigen, die für den Klimawandel am wenigsten verantwortlich sind, am meisten darunter zu leiden haben.“
Abbe Ambroise Tine brachte es schließlich auf den Punkt: „Die Hungerkrise in meiner Heimat wird immer bedrohlicher, die Situation ist mittlerweile dramatisch, es ist ein Wettlauf mit der Zeit“, berichtete der Generalsekretär der Caritas Senegal. „Ich habe 1973, als ich 16 war, selbst eine Hungersnot miterlebt. Damals habe ich Kinder gesehen, die bis auf die Knochen abgemagert waren - und jetzt geschieht das erneut.“ (APA)