Stolperverbot in Disneyland
Tamara Metelka und Nicholas Ofczarek sind seit 16 Jahren ein Paar. Im TT-Interview sprechen sie über ihr Kennenlernen im Hanappi-Stadion, ihre erbarmungslos kritische Tochter und den „Jedermann“-Wahnsinn.
Von Christiane Fasching
Innsbruck –Kennen gelernt haben sich Tamara Metelka und Nicholas Ofczarek bei einem Rapid-Match, lieben gelernt auf der Bühne des Burgtheaters. Am Freitag war das Schauspieler-Ehepaar zu Gast auf Schloss Ambras, um für eine Benefiz-Soiree aus den Texten von Literaturnobelpreisträgern zu lesen. Zugunsten der Tiroler Hospiz-Gemeinschaft fügten sie diese zu einem assoziativen Ensemble zusammen, über dem die Kraft der Sprache thronte.
Mit der TT sprachen die beiden im Vorfeld über konstruktive Kritik, ein unterkühltes Hanappi-Hallo, den Festspiel-Zirkus in Salzburg und die Sehnsucht nach mehr Zeit.
Es ist ein seltenes Vergnügen, Sie gemeinsam auf der Bühne zu erleben. Woran liegt’s?
Tamara Metelka: Wir haben früher eigentlich sehr viel zusammen gespielt, das letzte Mal liegt nun allerdings schon drei Jahre zurück. Und jetzt haben wir einfach große Lust dazu gehabt, gemeinsam diese Lesung zu machen.
Nicholas Ofczarek: Generell ist’s nicht so, dass wir keine Freude am gemeinsamen Auftreten gehabt hätten. Aber wenn man ständig mit dem Theater zu tun hat, dann ist es manchmal auch gut, wenn man sich privat auf andere Dinge konzentriert. Wobei es jetzt sehr großen Spaß macht.
Metelka: Und durch das gemeinsame Arbeiten hatten wir auch die Möglichkeit, wieder mehr Zeit miteinander zu verbringen. Das war schön. Wobei man als Außenstehender wahrscheinlich gar nicht merken würde, dass wir zusammen sind. Wir gehen da sehr reserviert und distanziert miteinander um.
Sie kommen beide vom Schauspielfach – wird man da automatisch auch zum Kritiker seines Partners?
Metelka: Jein. Wenn ich gefragt werde, schon.
Ofczarek: Ich hab’ vor ihrer Kritik definitiv mehr Angst als vor der Kritik eines anderen Menschen. Sie kennt mich halt auch besser. Wenn sie sagen würde: „Das hat mir jetzt aber nicht so gefallen“, wäre ich wahrscheinlich am Boden.
Metelka: Ich würde meine Kritik nie so platt formulieren, sondern wäre viel konstruktiver und auch positiver.
Sie sind seit 16 Jahren ein Paar und fast genauso lang verheiratet. Wie haben Sie sich kennen gelernt?
Metelka: Das erste Mal gesehen haben wir uns bei einem Rapid-Match im Hanappi-Stadion. Ich war 17, er war 18.
Ofczarek: Sie war mit einem Sandkastenfreund von mir zusammen. Sie hat „Hallo“ gesagt, ich hab’ „Hallo“ gesagt. Und das war’s dann auch.
Metelka: Möglicherweise sind wir uns aber schon mit sieben Jahren begegnet. Wir haben nämlich den gleichen Spielplatz besucht (lacht).
Und wie ging’s nach dem unterkühlten Hanappi-Hallo dann weiter?
Metelka: Richtig wiedergetroffen haben wir uns dann am Burgtheater, wo wir beide engagiert waren.
Ofczarek: Das war dann so, als ob wir uns schon wirklich lange kennen würden.
Sie haben eine Tochter im Teenager-Alter. Will sie in die schauspielerischen Fußstapfen ihrer Eltern treten?
Metelka: Diesen Sommer wird sie das erste Mal auf der Theaterbühne stehen.
Macht Sie das nervös oder stolz?
Metelka: Ich kann mich noch nicht dazu verhalten (lacht). Aber wahrscheinlich werde ich dann schon nervös sein.
Ofczarek: Ich weiß noch nicht, ob ich ihr wünschen soll, dass sie beim Theater landet. Vorläufig will ich’s noch nicht wahrhaben. Aber na ja – solange es sie glücklich macht.
Und wie ist Ihre Tochter als Kritikerin?
Ofczarek: Erbarmungslos.
Metelka: Als sie vier Jahre alt war, haben wir gemeinsam in „Der Talisman“ gespielt. Und nach der Vorstellung hat sie dann gesagt: „Das hat mir gar nicht gefallen, das war fad.“
Frau Metelka, Sie sind als Dozentin für Sprecherziehung am Max-Reinhardt-Seminar tätig und leiten zudem ein eigenes Sprechstudio. Haben Sie Ihrem Gatten dahingehend noch etwas beibringen können?
Metelka: Ja. Er nimmt regelmäßig Stunden bei mir. Mich wundert nämlich immer, dass viele Schauspieler nach der Schauspielschule meinen, tatsächlich fertig zu sein – und sich nicht mehr weiterbilden. Einem Sänger würde so etwas nie einfallen. Pavarotti ist noch am Höhepunkt seiner Karriere zu seiner Gesangslehrerin nach Südtirol gefahren. Und als Schauspieler muss man sich eben rollenabhängig vorbereiten. Für den „Jedermann“ etwa haben wir sehr viel miteinander gearbeitet – weil der Domplatz einfach riesig ist und die Sprache da eine ganz andere Kraft braucht.
Wie erleben Sie den Zirkus, der in Salzburg um Ihren Mann gemacht wird?
Metelka: Ehrlich gesagt: Wenn ich mit dem Niki privat in Salzburg unterwegs bin, geht’s mir ordentlich auf die Nerven. Weil man nirgends in Ruhe sitzen kann, ohne dass einem jemand – ohne zu fragen – das Handy ins Gesicht hält, um ein Foto zu machen. Wie hat Ben Becker so schön gesagt: In diesen Tagen ist Salzburg wie Disneyland.
Ofczarek: Ich bin einmal in Salzburgs Fußgängerzone gestolpert. Nicht hingefallen, gestolpert. Was dann los war, kann sich keiner vorstellen. Die Leute sind aus den Häusern herausgelaufen, haben sich über die Brüstungen gebeugt und gebrüllt: „Schau, der Jedermann is g’stolpert“. Ein Wahnsinn.
Macht Ihnen der Part des reichen Mannes da überhaupt noch Spaß?
Ofczarek: Ja – diese anderen Dinge sind dann nebensächlich. Die Rolle ist ein echtes Schauspielerfutter. Und spannend, weil die Freiluftbühne temperaturtechnisch alle Spielchen spielt. Von 12 bis 60 Grad ist auf dem Domplatz alles möglich.
Haben Sie sich selbst ein Limit für den „Jedermann“ gesetzt?
Ofczarek: Ja, aber das verrate ich Ihnen nicht (lacht).
Von Nelly Sachs, aus deren Texten Sie auch lesen, stammt das Zitat „Alles beginnt mit Sehnsucht“. Wonach sehnen Sie sich?
Ofczarek: Ich sehne mich nach mehr Zeit, von der ich jetzt eh gerade recht viel habe, weil ich nichts drehe und der „Jedermann“ noch recht fern ist. Es ist sehr befreiend, sich nicht in einem ständigen Ausnahmezustand zu befinden, sondern entspannt in die Welt hineinzuschauen und Zeit zum Leben zu haben.
Metelka: Wir haben erst lernen müssen, diese Inseln zu schaffen und freie Zeit genauso einzuplanen wie Arbeit. Wonach ich mich sehne, wovon ich träume, wären zwei, drei Monate nur für uns drei.
Ofczarek: Okay, machen wir.