„Es gibt Wichtigeres als Olympia“

Teil eins der Tiroler Olympia-Porträtserie: Mountainbike-Weltcupsiegerin Elisabeth Osl (26) aus Kirchberg geht in London nach 2008 zum zweiten Mal auf Medaillenjagd – und blieb dafür ihrer Tiroler Heimat treu.

Von Roman Stelzl

Kirchberg –Bis dato haben sich sechs Tiroler Sportler fix für die Olympischen Spiele in London (27. Juli bis 12. August) qualifiziert. Die Tiroler Tageszeitung wird in ihrer neuen Serie von heute an alle Teilnehmer genau unter die Lupe nehmen.

Teil eins führt nach Kirchberg, auf die sonnige Terrasse eines kleinen Gasthauses im Dorfzentrum. An einem Tisch sitzt dort Lisi Osl, Kirchbergs wohl bekannteste Sportlerin. Die zierliche 26-jährige Mountainbikerin mit den blonden Haaren und den Sommersprossen kommt gerade von einem Mediencamp, wo sie Journalisten vorführte, wie sie sich auf dem Rad richtig zu bewegen hätten.

Ein kräftigendes Mittagessen mit Fischgericht und Salat später stellt sich Lisi Osl, stets ein Lächeln im Gesicht, den Fragen ihres Gegenübers. Doch noch bevor dieser die erste Frage aufwirft, unterbricht die Weltcupgesamtsiegerin von 2009 und begrüßt die Gäste am Nachbartisch. Ein guter Einstieg.

Gibt es eigentlich irgendjemanden in Kirchberg, den Sie nicht kennen?

Lisi Osl: Schwierig zu sagen. Aber da finden sich sicher ein paar. (lacht)

Sie sind in Kirchberg aufgewachsen und haben immer hier gelebt, oder?

Osl:

Ja, geboren bin ich im Rettungswagen zwischen Kirchberg und Kitzbühel – als viertes von fünf Kindern. Es ist ruhig und schön, ich komme immer wieder gerne heim. Als Profisportlerin bin ich natürlich viel unterwegs und nur selten hier, meistens nur über Weihnachten. Aber daheim kann ich mich am besten erholen. Wenn ich nach Hause komme, dann bin ich einfach nur die Lisi.

Wie war es, in Kirchberg inmitten einer Berglandschaft groß zu werden?

Osl:

Wir sind ohne Fernseher und ohne Auto aufgewachsen. Ich habe mich immer viel an der frischen Luft bewegt, habe gelesen, war kreativ, anstatt mich einfach berieseln zu lassen. Mit drei Brüdern und einer Schwester war ja auch immer was los.

Mit 25 noch daheim. Wie darf man sich das vorstellen – das gleiche Kinderzimmer wie früher?

Osl:

Nun ja, man ändert manche Sachen. Aber prinzipiell ist es gleich geblieben. Ich halte mich dort nur zum Schlafen auf, denn wenn ich hier bin, will ich mich nicht verkriechen, sondern unter die Leute gehen.

Erzählen Sie doch mal etwas von Ihrer allerersten Mountainbike-Tour!

Osl: (überlegt)

Ich war damals zwölf Jahre alt. Meine Schwester Maria wollte unbedingt mountainbiken. Papa war dagegen, aber irgendwann konnte er sie nicht mehr zurückhalten. Ja, und da war dann dieser Staffelbewerb, wo ich mitmachen musste. Ich erinnere mich noch, dass ich damals gestürzt bin.

Sturz im ersten Rennen – aufstehen und weiterkämpfen. Ist das die Einstellung der Lisi Osl?

Osl:

Ja, ich habe damals nicht geweint, sondern konsequent weitergemacht. Bis ich 2003 ins Bundesheer gewechselt bin. Seither kann ich den Sport professionell ausüben.

Professionell und erfolgreich: 2008 waren Sie bei den Olympischen Spielen in Peking (11. Platz), 2009 Gesamtweltcupsiegerin. Seither läuft es aber etwas unrund. Was hat damals besser geklappt?

Osl:

Ich kann nicht sagen, woran das genau lag. Ich habe stets mein Möglichstes getan, den Durchbruch kann man jedoch nicht planen. Damals hat einfach alles funktioniert – egal, was ich gemacht habe, es ist aufgegangen. Und als ich schließlich nach dem Weltcupsieg als Dritte bei Österreichs Sportlerwahl 2009 neben den Skirennläuferinnen stand, wusste ich: Ich habe etwas erreicht.

Was waren denn Ihre großen Stärken auf dem Weg zu diesem Erfolg?

Osl:

Ich bin konsequent und habe ein gutes Durchhaltevermögen. Ich muss aber daran arbeiten, eine komplettere Athletin zu werden.

Frau Osl – schaffen Sie ihrer Meinung nach wieder den Sprung nach ganz oben?

Osl:

Ich muss nur die Coolness von 2009 wiederfinden. Momentan fehlt mir die Lockerheit, ich merke, dass ich mir einen zu großen Druck mache. Aber so geht das nicht. Im innersten Inneren will ich immer krampfhaft den Sieg – und das muss weg.

Zum Thema Olympische Spiele: Ich habe ein Interview von 2009 ausgegraben, wo Lisi Osl mit dem Satz zitiert wird: „Mein großes Ziel ist Olympia 2012.“

Osl: Ach wirklich? (lacht).

Ich glaube schon, dass Olympia das größte Ziel für einen Sportler ist, und es gibt solche Spezialisten, die können sich drei Jahre vorbereiten und dann im richtigen Moment ihre Leistung abrufen.

Was erwarten Sie sich denn in London – eine Medaille?

Osl: Ich habe mich selbst nie als Medaillenkandidatin gesehen. Die Dichte ist sehr groß, das Interesse gegenüber früher gestiegen. Wenn ich jetzt hinfahre und sage: ,Ich will eine Medaille holen‘, dann tue ich mir nichts Gutes.

Was ist, wenn der Erfolg ausbleibt? Was kommt nach der Karriere?

Osl:

Dann möchte ich für andere Menschen da sein, einen sozialen Beruf ausüben. Momentan dreht sich ja sowieso alles um mich – dann kann ich etwas zurückgeben.

Für Sie ist der Olympiasieg das größte Ziel. Angenommen, jemand bietet Ihnen also Olympiagold an – und dafür müssen Sie Ihr Leben in Kirchberg aufgeben. Verlockend?

Osl:

Ich glaube nicht, dass mich das glücklich machen würde. Es gab Leute, die mir im Ausland bessere Trainingsaussichten versprachen. Aber es gibt viele Wege, um ein Ziel zu erreichen. Und außerdem kann mir ja keiner den Erfolg wirklich garantieren.

Und wenn ich Ihnen den Olympiasieg garantiere?

Osl: Dann würde ich es natürlich sofort tun. (lacht) Nein, es gibt Dinge im Leben, die wichtiger sind als der Olympiasieg, vor allem Gesundheit. Ich mache diesen Sport nicht, um möglichst schnell zu sein – sondern deshalb, weil ich ihn liebe. Das ist nun mal einfach mein Leben.