Islamisten vertrieben – Bauern in Somalia atmen auf
Zum ersten Mal seit Jahren kann der Bauer Hassan Arab im somalischen Afgoye aufatmen. Regierungstruppen haben die radikalislamischen Al-Schabaab-Miliz aus der Region vertrieben. Doch der Frieden ist trügerisch.
Von Mohamed Odowa und Shabtai Gold
Mogadischu – Jahrelang beherrschte die radikalislamische Al-Shabaab-Miliz die Region um die somalische Hauptstadt Mogadischu. Die Kämpfer folterten oder töteten jeden, den sie der Unterstützung für die Regierung verdächtigten und setzten eine sehr strenge Version der islamischen Scharia-Gesetzgebung durch. Vergehen wurden mit Steinigung oder dem Abhacken von Gliedmaßen bestraft. Doch nun hat diese Schreckensherrschaft ein Ende. In der vergangenen Woche vertrieben Regierungssoldaten und Truppen der Afrikanischen Union die Miliz.
Der Bauer Hassan Arab genießt seine neue Freiheit. Nicht nur war die Herrschaft der Al-Shabaab brutal, die Islamisten trieben auch hohe Steuern ein und stahlen Nahrungsmittel, erzählt er. „Wenn du nicht zahltest, dann wurdest du entweder als Ketzer verurteilt oder von den Kämpfern kaltblütig ermordet“, sagt Arab. Steuern im Wert von 40 bis 50 Prozent ihres Einkommens pressten die Islamisten den Bauern ab, erzählen Betroffene. Den Bauernfamilien blieb oft nicht genug zum Überleben.
Region soll aufblühen
Nun soll alles anders werden, sagt der Geschäftsmann Omar Hashi. Jetzt, da die Islamisten auf der Flucht sind, soll die Region wieder aufblühen. „Wir werden in die Bauern hier investieren und das wird die Produktion verbessern“, so Hashi. „Und wir werden auch nicht mehr unter der Fuchtel der Al-Shabaab stehen“. Seit der Vertreibung der Milizen hat sich auch die Versorgungslage der Bevölkerung im nur 30 Kilometer entfernten Mogadischu verbessert. Jeden Tag rumpeln mit Obst und Gemüse beladene Lastwagen aus Afgoye in die Stadt. Während der Herrschaft der Al-Shabaab war diese Versorgungsroute abgeschnitten.
Nicht alle teilen den Optimismus von Arab und Hashi. Seit mehr als 20 Jahren befindet sich Somalia im Bürgerkrieg. Zu oft schon trog die Hoffnung auf dauerhaften Frieden. „Wenn wir neue Lebensmittel wie Mango, Mais, Bananen oder Getreide anbauen wollen, müssen wir sicher sein, dass Al-Shabaab nicht nur aus Afgoye, sondern aus der gesamten Provinz vertrieben wird“, meint etwa der Bauer Ahmeday Isak. Sein Wohnort liegt am Rande des Einflussgebietes der Islamisten. Er fürchtet ihre Rückkehr.
Misstrauen gegen Regierungssoldaten
„Die Einwohner hier unterstützen nicht diesen sogenannten Jihad, von dem Al-Shabaab spricht“, sagt Isak. Die Steuern und die Brutalität der Al-Shabaab haben der Region seiner Ansicht nach wohl dauerhaft geschadet. „Bauern in meinem Dorf Qoroley haben aufgegeben, weil sie die hohen Steuern der Al-Shabaab nicht bezahlen konnten.“ Andere seien nach Mogadischu geflohen: „Sie wissen nun nicht, ob sie zurückkommen und ihre Betriebe wieder aufbauen sollen.“
Auch die Regierungssoldaten werden mit Misstrauen beäugt. Bleibt der Sold aus, greifen auch sie oft zu, ohne zu bezahlen. Somalias Präsident Sharif Sheikh Ahmed besuchte Afgoye, um die Einwohner zu beruhigen. Währen des Besuchs wurde sein Konvoi angegriffen - ein beunruhigendes Zeichen dafür, wie unsicher die Lage weiterhin ist.
Mohamed Odowa und Shabtai Gold sind Korrespondenten der Deutschen Presseagentur.