EU

Schengen: Berlin und Paris setzen sich offenbar durch

Der deutsch-französische Vorstoß zielt auf Griechenland, das mit dem Schutz seiner Grenze zur Türkei überfordert ist.

Brüssel – Ein Vorstoß von Deutschland und Frankreich zur Wiedereinführung von Grenzkontrollen in Europa durch eigenständige Entscheidung der EU-Länder hat sich im Kern offenbar weitgehend durchgesetzt. Das geht aus einem Entwurf für die Neufassung der Schengen-Regeln hervor, der am Samstag der Nachrichtenagentur AFP in Brüssel vorlag. Wenn ein Land die Schengen-Außengrenzen trotz EU-Hilfe nicht schützen kann, soll über zeitweilige Grenzkontrollen demnach zwar gemeinsam auf EU-Ebene beraten werden, die Entscheidung aber bei den einzelnen Mitgliedsländern liegen.

Die EU-Innenminister kommen am Donnerstag in Luxemburg zusammen, um über die künftigen Schengen-Regeln zu diskutieren. Der Entwurf der neuen Bestimmungen wurde dafür im Vorfeld von den EU-Botschaftern ausgearbeitet. „Ich bin optimistisch, dass die Minister zu einer Einigung kommen“, sagte ein EU-Diplomat. Zwar gebe es noch Änderungswünsche mancher Staaten, im Großen und Ganzen seien die neuen Regeln aber ausverhandelt.

Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und sein der inzwischen abgewählten konservativen französischen Regierung angehörender Kollege Claude Gueant hatten im April gefordert, dass die EU-Länder im Alleingang für bis zu 30 Tage Grenzkontrollen einführen dürfen, wenn ein Staat an den Außengrenzen des Schengen-Raums seine Grenzen trotz Unterstützung der EU nicht schützen kann. Der Vorstoß zielte auf Griechenland, das mit dem Schutz seiner Grenze zur Türkei überfordert ist.

Widerstand der EU-Kommission

Mit der Forderung waren Berlin und Paris auf Widerstand der EU-Kommission gestoßen, die bei Entscheidungen über Grenzkontrollen eine wichtige Rolle spielen will. Aber auch EU-Länder hatten Bedenken geäußert. Der neue Entwurf sieht nun einen Kompromiss vor: Den Schengen-Regeln wird darin ein neuer Artikel über ein „spezifisches Verfahren für den Fall, dass außergewöhnliche Umstände das Funktionieren des (Schengen-)Raums insgesamt ohne interne Grenzkontrollen gefährden“, hinzugefügt.

Wenn anhaltende Probleme bei der Kontrolle der Schengen-Außengrenzen demnach „eine ernste Bedrohung für die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit“ darstellen, soll ein Land als letztes Mittel auf „Empfehlung“ des EU-Rats, also aller EU-Länder, zunächst für bis zu sechs Monate Grenzkontrollen einführen dürfen. Die Ratsempfehlung soll auf Vorschlag der EU-Kommission erfolgen. Ein EU-Diplomat bestätigte, dass die Entscheidung aber letztlich bei dem jeweiligen Land liegt. Die deutsch-französische Forderung wäre somit im Kern erfüllt.

Wie bisher soll es den EU-Ländern zudem möglich sein, bei geplanten Ereignissen - wie etwa einer Fußball-Europameisterschaft - oder in unvorhersehbaren Situationen - zum Beispiel nach einem Terroranschlag - ihre Staatsgrenzen vorübergehend zu schließen. Auch in diesen Fällen hatte die EU-Kommission ein stärkeres Mitspracherecht gefordert, was von den Ländern aber abgelehnt wird. Allerdings soll nun im Fall von unvorhersehbaren Ereignissen die Grenze zunächst nur für zehn Tage statt, wie bisher gefordert, für 30 Tage geschlossen werden können.

Beschließen die EU-Innenminister die Neuregelung am Donnerstag in dieser Form, muss im Anschluss noch das Europaparlament zustimmen. Die EU-Abgeordneten setzen sich für gewöhnlich für mehr europäische Zusammenarbeit bei Entscheidungs- und Abspracheprozessen ein als die Mitgliedsländer. (APA/AFP)