Syrienkrise

Annan warnt vor Flächenbrand - Arabische Liga ist ratlos

Die Außenminister der Mitgliedsländer der Arabischen Liga haben am Samstag gemeinsam mit dem internationalen Vermittler Kofi Annan über einen Ausweg aus dem blutigen Konflikt in Syrien beraten.

Doha – Der internationale Sondergesandte Kofi Annan hat vor dem Abgleiten Syriens in einen ungezügelten Krieg gewarnt. „Das Gespenst eines totalen Krieges mit einer alarmierenden sektiererischen Dimension wächst jeden Tag“, sagte Annan am Samstag bei einem Treffen der Arabischen Liga in Doha. Zusammen mit den Vereinten Nationen steht die Arabische Liga hinter dem Friedensplan, der das Blutvergießen in Syrien stoppen sollte.

US-Außenministerium veröffentlicht Bilder angeblicher Massengräber

Das US-Außenministerium veröffentlichte unterdessen Satellitenfotos, die Massengräber in der Nähe der Stadt Al-Houla zeigen sollen, in der bei einem Massaker in der vorigen Woche mehr als 100 Menschen getötet wurden. In der südsyrischen Provinz Daraa töteten Aufständische nach Angaben einer in Großbritannien ansässigen Oppositions-Gruppe sechs Soldaten, mindestens acht weitere seien bei Gefechten in den Außenbezirken der Hauptstadt Damaskus umgekommen.

Die Fotos der Massengräber seien Anfang der Woche von kommerziellen Satelliten aufgenommen worden, hieß es auf einer Internetseite, die von einer Abteilung des US-Außenministeriums betrieben wird. Zudem seien Krater von Artilleriegeschossen in der Nähe von Wohngebieten der Stadt Atarib zu erkennen. Auch sei offensichtlich zu sehen, dass Artillerie-Einheiten in die Umgebung dreier Städte und Kampfhubschrauber in die Nähe von Homs und Shairat verlegt worden seien. Eine Stellungnahme Syriens lag zunächst nicht vor.

Waffenruhe wird immer wieder verletzt

Das syrische Militär und die Rebellen werfen sich gegenseitig vor, immer wieder die von dem UN-Sondergesandten Kofi Annan ausgehandelte Waffenruhe zu verletzen. Bei dem Massaker in Al-Houla wurden die meisten Opfer aus nächster Nähe erschossen oder mit Messern getötet. Den UN-Beobachtern zufolge sind vermutlich Soldaten und eine regierungstreue Miliz dafür verantwortlich. Einige Opfer seien durch schwere Waffen wie Panzer und Haubitzen ums Leben gekommen, über die nur das Militär verfüge. Die meisten anderen seien wohl von Milizionären aus der Gefolgschaft von Präsident Bashar al-Assad umgebracht worden. Die syrische Regierung macht dagegen die Rebellen für das Massaker verantwortlich. Russland vermutet Islamisten dahinter.

Ein Vertreter des in sich gespaltenen Syrischen Nationalrates, der sich als Sprecher der syrischen Opposition versteht, nannte Russland einen Teil des Problems. „Mit der anhaltenden Unterstützung des Regimes und Assads ist Russland mehr zu einem Teil des Problems als zu einem Teil der Lösung geworden“, sagte Burhan Ghalioun. „Wenn Russland kooperiert und dabei hilft, einen Weg zu finden, damit Assad geht, dann wird es zu einem Teil der Lösung werden.“

Annans Friedensplan soll vorangetrieben werden

Scheich Hamad bin Jassim al-Thani, der Ministerpräsident von Katar, forderte Annan auf, ein zeitliches Limit für seine Mission zu setzen. Zugleich rief er den UN-Sicherheitsrat auf, Annans Friedensplan nach dem Kapital 7 der UN-Charta zu voranzutreiben, was den Einsatz von Gewalt legitimieren könnte. Katar hatte schon früher für die Bewaffnung der aufständischen Sunniten in Syrien gegen das alawitische Regime Assads plädiert.

Die Arabische Liga forderte den UN-Sicherheitsrat als Reaktion auf das Massaker von Al-Houla zu einer Aufstockung der Beobachtertruppe in Syrien auf. Zudem müssten die UN-Beobachter mehr Befugnisse erhalten, um die Zivilbevölkerung vor Gewalttaten und Verbrechen zu schützen, hieß es in einem Brief des Generalsekretärs der Arabischen Liga, Nabil Elaraby (al-Arabi), von dem die Nachrichtenagentur Reuters und der libanesische TV-Sender LBCI am Freitag erfuhren. Der Sicherheitsrat müsse schnell handeln, um die Gewalt in Syrien zu stoppen und alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Zivilisten ergreifen.

Russland: Syrien darf nicht zu zweitem Libyen werden

Vor allem die Formulierung „alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz der syrischen Zivilisten“ dürfte bei der russischen Regierung auf Ablehnung stoßen. Denn der Sicherheitsrat hatte im vergangenen Jahr mit einem Beschluss mit ähnlicher Wortwahl dem militärischen Eingreifen der NATO im Libyen-Konflikt den Weg geebnet. Russland hatte zwar damals nicht sein Veto eingelegt, den NATO-Einsatz seither aber immer wieder kritisiert und wiederholt erklärt, Syrien dürfe nicht zu einem zweiten Libyen werden.

Nach dem Massaker in der Kleinstadt Al-Houla mit in der vorigen Woche hatte der französische Präsident Francois Hollande als erster westlicher Spitzenpolitiker eine militärische Intervention mit UN-Mandat ins Spiel gebracht. Bei bilateralen Treffen am Freitag konnten weder Hollande noch Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einem schärferen Ton gegen Assad bewegen.

Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London wurden bei Razzien der Sicherheitskräfte und Kämpfen mit den Rebellen am Samstag mindestens 27 Menschen getötet, darunter mehrere Zivilisten. Acht Tote gab es außerdem bei anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern Assads in der Stadt Tripoli im benachbarten Libanon. (APA/Reuters/AFP)