Deutschland

Richtungsstreit: Lafontaine-Lager gewinnt Machtkampf bei der Linken

Der Machtkampf in der deutschen Linkspartei ist entschieden: Katja Kipping und Bernd Riexinger sind die neue Doppelspitze. Damit hat sich der linke Parteiflügel gegen die ostdeutschen Reformer durchgesetzt und Dietmar Bartsch als Parteichef verhindert.

Berlin - Linksruck bei der deutschen Linken: Der baden-württembergische Landeschef Bernd Riexinger vom linken Flügel und die sächsische Bundestagsabgeordnete Katja Kipping wollen die Partei als neue Doppelspitze aus ihrer bisher schwersten Krise führen. Die ostdeutschen Reformer um Fraktionsvize Dietmar Bartsch gingen in dem seit Wochen tobenden Machtkampf um den Parteivorsitz dagegen leer aus.

Kipping wird keinem der beiden Flügel der vor fünf Jahren aus ostdeutscher PDS und westdeutscher WASG fusionierten Partei zugerechnet. Die 34-jährige Dresdnerin setzte sich mit 67,1 Prozent der Stimmen gegen die Hamburger Fraktionschefin Dora Heyenn (29,3 Przent) durch. Der 56-jährige Riexinger, der den linken Gewerkschaftsflügel vertritt, triumphierte gegen Bartsch dagegen nur knapp - mit 53,5 zu 45,2 Prozent der Stimmen.

Riexinger hatte erst nach dem Rückzug des Linken-Gründungsvaters Oskar Lafontaine aus dem Machtkampf seinen Hut in den Ring geworfen. Der 68-Jährige Lafontaine verzichtete auf eine Kandidatur, weil er sich mit Bartsch nicht einigen konnte und sich nicht in eine Kampfkandidatur begeben wollte. Lafontaines Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht entschied sich erst nach langem Zögern gegen eine Kandidatur und ließ Riexinger den Vortritt. „Ich möchte nicht die Polarisierung auf die Spitze treiben“, begründete Wagenknecht ihren Schritt. Sie wurde später als stellvertretende Parteivorsitzende wiedergewählt.

„Gräben in der Partei schließen“

Riexinger wurde von seinen Anhängern mit dem Singen der Internationale gefeiert. „Ich bin überzeugt: Wir werden eine gemeinsame Linke weiterentwickeln, und wir werden wieder auf die Erfolgsspur zurückkommen“, sagte er. Riexinger und Kipping setzten sich zum Ziel, die Gräben in der Partei zu schließen. „Bitte lasst uns diese verdammte Ost

West-Verteilung auflösen“, sagte die 34-Jährige Dresdnerin.

Ursprünglich wollte sie zusammen mit der nordrhein-westfälischen Landeschefin Katharina Schwabedissen ein Führungsduo bilden. Schwabedissen zog ihre Kandidatur am späten Nachmittag jedoch zurück, weil sie keine Chance mehr für den „dritten Weg“ zwischen den Flügeln sah. Sie wolle nicht, „dass Frauen als taktische Manövriermasse verstanden werden“, sagte sie zur Begründung.

Die Enttäuschung bei den ostdeutschen Reformern war zwar groß, zu Trotzreaktionen kam es aber zunächst nicht: Der zu den “Bartschisten“ zählende Landeschef von Sachsen-Anhalt, Matthias Höhn, blieb bei seiner Kandidatur für den Posten des Bundesgeschäftsführers, der am Sonntag gewählt wird. Als Grund nannte er das gute Wahlergebnis Bartschs. „Ich möchte, dass wir uns auch mit diesen Stimmen weiter in den Parteivorstand einbringen“, sagte er auf einer kurzfristig einberufenen Versammlung der Reformer nach der Wahl Riexingers.

„In unserer Fraktion herrscht auch Hass“

Angesichts des wochenlangen Machtkampfs hatte vor der Abstimmung vor allem Fraktionschef Gregor Gysi die Partei vor der Selbstzerstörung gewarnt. In einem flammenden Appell rief er die Delegierten auf, eine Führung zu wählen, in der sich die unterschiedlichen Flügel wiederfinden. Gelinge dies nicht, sei es besser, sich fair zu trennen. Gysi lieferte eine schonungslose Zustandsbeschreibung der Partei. „In unserer Fraktion im Bundestag herrscht auch Hass“, sagte er. „Seit Jahren befinde ich mich wirklich zwischen zwei Lokomotiven, die aufeinander zufahren. Und ich weiß, dass man dabei zermalmt werden kann.“

Linke-Gründungsvater Lafontaine kritisierte Gysis Ausführungen. „Trotz aller Schwierigkeiten: Es gibt keinen Grund, das Wort Spaltung in den Mund zu nehmen.“

Die neue Doppelspitze folgt auf die Berliner Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch und den bayerischen Gewerkschafter Klaus Ernst. Lötzsch war bereits Anfang April aus familiären Gründen zurückgetreten. Ernst hielt sich eine Kandidatur bis zuletzt offen, unterstützte aber gleichzeitig zuerst Lafontaine, dann Wagenknecht und schließlich Riexinger. (dpa)