Einer, der sich nie hinter dem Vorhang versteckt hat
Nach 42 Jahren verlässt Harald Mayr das Tiroler Landestheater und geht in Pension. Die Finanzen hatte er im Griff, die Kunst im Herzen.
Von Alexandra Plank
Innsbruck –Harald Mayr kann sich entspannt zurücklehnen, nicht nur weil er gerade von einem Segeltörn zurückgekehrt ist, sondern weil er seinen Nachfolgern ein wohlbestelltes Haus hinterlässt. Der geschäftsführende kaufmännische Direktor des Tiroler Landestheaters ist stolz darauf, dass in seiner Ära – er agierte gleichberechtigt mit der Intendantin Brigitte Fassbaender – kein einziges Mal ein Nachtragskredit notwendig war.
Mit seinen über 400 fixen Mitarbeitern (Künstler, Orchester, Technik, Verwaltung), zu denen noch rund 150 weitere Personen kommen (Gäste, Statisten, Extrachor u. a.), ist das Tiroler Landestheater ein größerer Mittelbetrieb. Der jährliche Subventionsbedarf liegt bei 20 Mio. Euro (zum Vergleich Linz: 30 Mio.). In der Saison 2010/2011 verkaufte die Tiroler Landestheater & Orchester GmbH 200.000 Eintrittskarten. „Das muss uns der Fußball in Tirol erst nachmachen“, so Mayr. Er habe nie bei der Gestaltung des Spielplanes mitgeredet, erklärt Mayr, sich aber ansonsten auch nie hinter dem Vorhang versteckt und seine Meinung – wenn man sich etwa einen Gast finanziell nicht leisten konnte – klar zum Ausdruck gebracht. Dabei haben in Mayrs Brust immer zwei Herzen geschlagen: Zum einen musste er die Bilanzen im Auge behalten, zum anderen war dem großen Opernliebhaber auch immer der künstlerische Aspekt sehr wichtig. Mayr lässt mit seinem Kommentar zur sehr guten Auslastung am Tiroler Landestheater – 85 bis 90 Prozent – aufhorchen. „Wir hatten im Tanztheater, seit es Enrique Gasa Valga übernommen hat, sogar eine 100-prozentige Auslastung“, erzählt Mayr.
Grundsätzlich wäre die Zielsetzung maximale Auslastung aber fatal, erklärt der kaufmännische Direktor. Es drohe dienliches Theater. Mayr zitiert den früheren Intendanten, Dominique Mentha: „Er hat gesagt, dass eine Auslastung über 80 Prozent problematisch sei.“ Qualität und Quantität schließen sich aber nicht aus. Erstaunt habe ihn, dass sich das anspruchsvolle Tanzstück über Georg Trakl zum Publikumshit entwickelt hat. Beliebig sei die Programmgestaltung von Brigitte Fassbaender nie gewesen. „Sie hat sich getraut, auch schwierige Opern wie Jenufa ins Programm zu nehmen. Das Publikum ist ihr gefolgt und war begeistert.“
Ein Idealfall war in seinen Augen die Uraufführung der Fahrrad-Oper von Florian Bramböck „Der dritte Polizist“. „Da hat alles gestimmt, das Künstlerische, es war die Arbeit eines Tirolers und auch die Auslastung war sehr gut.“ Den ersten Spielplan des neuen Intendanten, Johannes Reitmeier, bezeichnet Mayr als mutig. „Er macht klar, dass er sich von der Ära Fassbaender absetzen und neue Wege beschreiten will.“ In seine Nachfolgerin, Brigitte Winkler, hat Mayr vollstes Vertrauen, schließlich hat er sie empfohlen, mit ihr jahrelang erfolgreich zusammengearbeitet.
Was Investitionen in die Infrastruktur angeht, hat der scheidende kaufmännische Direktor im wahrsten Sinne des Wortes vorgebaut. Die Probebühne und die Tiefgarage mit Liftturm und behindertengerechten Zugängen wurden errichtet. Das TLT wurde generalsaniert und mit so prominenten Häusern wie der Hamburger Oper und den Münchner Kammerspielen EDV-technisch führend, das Kassawesen mit Online-Bestellungen modernisiert.
Als große Zukunftsaufgabe für das neue Führungsteam wartet das „Haus der Musik“, bezüglich der baldigen Realisierung ist Mayr optimistisch. Zwei Millionen Euro wurden von ihm für das Großprojekt, das Kammerspiele und einen Proberaum für das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck beherbergen soll, beiseitegelegt. Mayr schlägt vor, den Betrieb der Kammerspiele während der Bauarbeiten in ein Zelt auszulagern.
Wichtig ist Urgestein Mayr, dass er von den Mitarbeitern respektiert wurde. „Meine Tür ist allen offengestanden. Ich habe immer ein offenes Ohr gehabt, wenn sich jemand ungerecht behandelt fühlte, einen Vorschuss brauchte oder Liebeskummer hatte“, erzählt Mayr. Und der Pensionsschock? Den wird es laut Mayr nicht geben. „Ich werde lesen, ins Kino gehen und auf Urlaub fahren.“ Und natürlich wird er im Theater anzutreffen sein – im Zuschauerraum.