Gnadenloser Kampf im Nest

Die Hamsterbacken dienen dem Sammeln von Futter. Im Notfall kann die Hamstermama darin aber auch ihre Kinder in Sicherheit bringen.Foto: PantherStock

Bei jungen Eulen und Greifvögeln herrschen oft raue Sitten im Nest – nur der Stärkere überlebt. Schwächere werden an den Rand gedrängt, verhungern oder erfrieren. Bartgeier bekämpfen sich sogar ohne Hunger gnadenlos.

Von Helmut Pechlaner

Nach dem Schlupf sind junge Eulen und Greifvögel vollständig auf die Betreuung durch die Altvögel angewiesen, denn sie sind Nesthocker. Die Aufzucht der Jungen ist für beide Elternteile mit speziellen Zuständigkeiten perfekt organisiert.

Greifvögel haben eine lange Brutdauer zu bewältigen. Der kleine Sperber brütet mit 34 Tagen um sechs Tage länger als die mächtige Graugans. Der Bartgeier brütet 60 Tage bis zum Schlupf, der afrikanische Strauß als größter heute lebender Vogel allerdings nur 42 Tage. Auch Eulen sind rekordverdächtig. Der kleine Sperlingskauz brütet mit 28 Tagen doppelt so lang als der Star.

90 Prozent des Brutgeschäftes wird von den Weibchen erledigt, meist um die Mittagszeit werden sie von den Männchen abgelöst, die zuvor Beute zum Nest bringen. Beim Sperber ist das Weibchen auf die Beuteübergabe besonders angewiesen, denn mit Brutbeginn setzt ein rasanter Federwechsel ein und das Weibchen ist in der Flugfähigkeit stark eingeschränkt.

Auch nach dem Schlüpfen der Jungen muss der kleine männliche Sperber das Futter für die gesamte Familie fangen und herbeibringen. Bei einem vollen Nest liefert der Sperber tagtäglich bis zu 20 Kleinvögel als Futter zum Nest. Erst wenn die Jungen vier Wochen alt sind, ist das Weibchen in der Lage, selbstständig auf Jagd zu gehen.

Bei jungen Eulen und Steinkäuzen findet man erst ab der vierten Lebenswoche Skelettteile der verzehrten Mäuse im Gewölle, denn die wachsenden Jungtiere brauchen Kalk für den eigenen Knochenaufbau und können daher in dieser Zeit die Knöchelchen der Beute selbst verdauen. Nicht nur Eulen legen ein Depot von Beute an, auch das Steinadlermännchen deponiert nach erfolgreicher Jagd überflüssige Beutestücke und bringt sie erst bei Bedarf zum Horst. Zu schwere Beutetiere wie Murmeltiere oder Hasen werden am Boden mit dem scharfen Schnabel schnell zerteilt und in Portionen zum Horst gebracht. Zwischen den hungrigen Jungtieren wird um das Futter gebettelt und gekämpft. Es werden schwächere Küken an den Rand gedrängt, sie verhungern, erfrieren oder fallen aus dem Horst.

Beim Bartgeier bekämpfen sich die Geschwister in den ersten Lebenstagen auch ohne Hunger gnadenlos. Offensichtlich darf und soll bei diesem Nahrungsspezialisten ein Jungtier pro Jahr ausfliegen bzw. überleben, das zweite Ei ist nur eine biologische Reserve. Da das Weibchen schon beim ersten Ei zu brüten beginnt, schlüpft eine Woche später das Junge aus dem zweiten Ei und wird daher vom größeren der Geschwister unterdrückt, meist auch gefressen.

Bei Gänsegeier und Schlangenadler besteht das Gelege nur aus einem einzigen Ei, dieser Nachwuchs genügt zur Bestandserhaltung.

Bei Eulen hängt nicht nur die Zahl der aufkommenden Jungvögel, sondern sogar schon der gelegten Eier vom aktuellen Nahrungsangebot ab. Es werden mehr Eier je Brut gelegt, es gibt Zweitbruten und sogar so genannte Schachtelbruten; das heißt, während noch Jungvögel im Nest sitzen und gefüttert werden, wird bereits das nächste Gelege bebrütet.

Bei Wanderungen am Waldrand finden wir gelegentlich junge, flaumige Wollknäuel, die mit großen Augen im Gebüsch oder am Boden sitzen. Das sind meist ausgeflogene, junge Waldohreulen (orangefarbene Augen) oder Waldkäuze (blau-schwarze Augen), die keineswegs unserer Hilfe bedürfen, sondern von ihren Eltern gefüttert werden.