Gesellschaft

Bodensee kämpft bereits gegen den Klimawandel

Die Folgen des Klimawandels sind am Trinkwasserspeicher im Dreiländereck Österreich, Schweiz und Deutschland bereits spürbar.

Bregenz, Langenargen – Häufiger Starkregen, heftige Stürme, stark schwankende Wasserstände: Die Folgen des Klimawandels sind keine fernen Zukunftsszenarien – sie lassen sich am Bodensee bereits jetzt feststellen. „Solche Extremereignisse nehmen zu“, sagt Heinz Gerd Schröder, Leiter des Instituts für Seenforschung (ISF) in Langenargen am Nord­ufer des Sees. Gemeinsam mit österreichischen und Schweizer Kollegen untersucht er bis 2014 in einem grenzüberschreitenden EU-Interreg-Projekt unter anderem, welche Folgen eine Erwärmung des Seewassers haben könnte.

Denn seit den 1960er Jahren ist die Lufttemperatur in Konstanz nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes um durchschnittlich 0,04 Grad pro Jahr angestiegen, die Wassertemperatur laut ISF in einem halben Meter Tiefe um 0,03 Grad. „Das klingt nicht gewaltig, hat aber spürbare Auswirkungen“, sagt Schröder.

Zum Beispiel auf den Temperaturhaushalt des größten österreichischen Sees: Die Erwärmung des Oberflächenwassers am Bodensee beginne inzwischen rund einen Monat eher als in der Vergangenheit. „Dadurch können sich planktonische Algen früher entwickeln.“ Diese Zeitverschiebung setzt sich wiederum bei den Organismen fort, die vom Plankton leben – bei Fischen oder auch Wasserflöhen. „Was das für Auswirkungen hat, wissen wir noch gar nicht so genau“, sagt Schröder.

Im Tierreich sieht das ganz ähnlich aus: „Man weiß einfach nicht, was da kommt“, sagt Gergely Kispál vom Naturschutzverband BUND Baden-Württemberg. Schon jetzt nehmen Vogelarten wie die Felsenschwalbe oder der Orpheusspötter, die eigentlich im Mittelmeerraum beheimatet sind, am Bodensee zu. Andere Vogelarten wandern dagegen nach Norden ab – allein der Bestand der Uferschnepfen habe seit 1980 um rund 84 Prozent abgenommen.

Auch ins Wasser gelangen neue Arten – allerdings oft bewusst oder unbewusst von Menschen eingeschleppt. Doch wenn die Wassertemperatur zunimmt, fühlen sich auch Tiere aus wärmeren Regionen im Bodensee wohl. „Das Problem ist, dass Tiere, die im Wasser leben, hoch spezialisiert sind“, sagt Kispál. Es könnte sein, dass eine Tierart kommt, die hierzulande keine Fressfeinde hat. „Das hätte dramatische Folgen für das Ökosystem.“ Auch Krankheiten, deren Erreger sich im warmen Wasser wohlfühlen, können sich ausbreiten – wie im Jahr 2003, als das Aal-Herpesvirus zu einem vermehrten Aalsterben führte.

Fest steht schon jetzt: Wenn sich das warme Wasser im Herbst nicht mehr richtig abkühlt, ist der Austausch zwischen den einzelnen Wasserschichten im See gestört. Normalerweise sinkt das kälter werdende Oberflächenwasser ab und bringt Sauerstoff in die tieferen Lagen. Der wird dort dringend gebraucht: „Da unten liegt quasi Biomüll – zum Beispiel abgestorbene Algen. Die Bakterien, die dort leben, bauen dieses Material ab, und dazu brauchen sie Sauerstoff“, sagt Schröder. „Wenn nichts nachkommt, kriegt der See Atemprobleme.“

Diese komplette Durchmischung finde normalerweise einmal im Jahr statt, wenn das Wasser um die 4 Grad habe, erklärt der Leiter vom Umweltinstitut des Landes Vorarlberg, Dietmar Buhmann. Kühle das Wasser nicht so weit ab, bleibe die vollständige Durchmischung aus, und das sei bereits einige Male passiert.

Bei einer solchen Entwicklung können sich aus dem Sediment heraus Nährstoffe und Schadstoffe lösen wie Phosphor. „Geschieht das über einen langen Zeitraum, wäre das auch für das Trinkwasser gefährlich“, mahnt Schröder. Denn der Bodensee ist auch Trinkwasserreservoir für Millionen Menschen in Deutschland. „Aus unserer Warte ist der Gewässerschutz die beste Vorsorge für alle Effekte, die der Klimawandel mit sich bringen kann“, sagt Schröder.

Genau das sieht Buhmann auch so. Denn Ende der 70er Jahre stand das Schwäbische Meer – wie der See auch genannt wird – ökologisch kurz vor dem Kippen. Seither hat sich die Wasserqualität dank der Anstrengungen aller drei Anrainerländer aber stetig gebessert. Inzwischen ist der See in einem so guten Zustand, dass zuletzt sogar die Fischer jammerten, dass die Fische nicht mehr so groß würden wie in Zeiten des hohen Nährstoffgehalts durch die Umweltverschmutzung. Das Wasser war damals so gesehen wie ein Dünger für die Fische.

Dieser Jammer lässt die Hydrologen aber kalt. „Dass der See in einem so ausgezeichneten Zustand ist, bedeutet auch, dass sich der Klimawandel nicht ganz so negativ auswirkt“, betont der gelernte Chemiker Buhmann. Der Bodensee ist so gesehen gut gerüstet. (sta, dpa)