Homs erneut unter Beschuss, Rebellen-Rückzug aus Al-Haffa
Soldaten feuerten Granaten auf die Stadt Homs. Die Rebellen zogen sich nach eigenen Angaben aus mehreren umkämpften Städten zurück.
Homs – Wie die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte, zogen sich die Kämpfer der Freien Syrischen Armee in der Nacht auf Mittwoch aus den Ortschaften Zankufa, Dafil und Bakas zurück. Die Gegend in der Provinz Latakia steht seit vergangener Woche unter starkem Beschuss der Regierungstruppen, am Dienstag wurden laut Beobachtungsstelle drei Zivilisten getötet und Dutzende verletzt. Die Stadt Homs stand indes seit Mittwochmorgen erneut unter Beschuss der Regierungstruppen, wie die Beobachtungsstelle mitteilte.
Demnach feuerten die Soldaten von Staatschef Bashar al-Assad dutzende Granaten auf das Stadtviertel Chalidie. In mehreren Viertel gab es demnach heftige Kämpfe zwischen Regierungssoldaten und Aufständischen. Mehrere Soldaten sowie ein Aufständischer seien getötet worden.
Rasmussen: Kein Bürgerkrieg „im rechtlichen Sinne“
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sprach sich gegen eine ausländische Militärintervention in Syrien aus. Diese wäre „nicht der richtige Weg für Syrien“, sagte Rasmussen am Mittwoch in der australischen Hauptstadt Canberra. Es gebe derzeit keine entsprechenden Pläne. Der Däne verurteilte das Vorgehen der syrischen Sicherheitskräfte und deren „Unterdrückung von Zivilisten“ als „skandalös“. Es gebe „keinen Zweifel, dass das syrische Regime für Verletzungen des Völkerrechts verantwortlich ist“.
Einen Bürgerkrieg „im rechtlichen Sinn“ sieht Rasmussen nach eigenen Angaben in Syrien nicht. „Aber es steht fest, dass die Lage in Syrien sehr ernst ist, und wir haben grauenhafte Taten gesehen, die vom Regime und den loyalen Streitkräften begangen wurden, und ich verurteile diese Taten entschieden.“ Der Leiter der UN-Blauhelmmissionen, Herve Ladsous, hatte am Dienstag von einem Bürgerkrieg in Syrien gesprochen.
China, das bisher im UN-Sicherheitsrat gemeinsam mit Russland harte Strafmaßnahmen gegen Damaskus verhinderte, äußerte seine „tiefe Besorgnis“ über die Lage in Syrien. Die Regierung in Peking hoffe, dass beide Konfliktparteien „alles in ihrer Macht stehende tun, um die Zivilisten zu schützen“.
Rebellen ziehen sich aus umkämpften Al-Haffa zurück
Syrische Rebellen haben sich nach eigenen Angaben aus der seit mehr als einer Woche heftig umkämpften Ortschaft Al-Haffa zurückgezogen. Eine größere Gruppe von Zivilisten, darunter auch Verletzte, habe sich mit den Kämpfern in der Nacht aus dem Ort in der Provinz Latakia abgesetzt, sagten Vertreter der syrischen Opposition aus dem Gebiet.
Regierungstruppen hatten den etwa 30.000 Einwohner zählenden Ort seit dem vergangenen Dienstag heftig beschossen und eingekreist. Dabei waren nach Angaben der Opposition auch Hubschrauber, Panzer und Raketen eingesetzt worden. „Wir haben uns zu einem taktischen Rückzug entschlossen, um Opfer unter den Zivilisten zu vermeiden“, sagte der syrische Rebellenführer Riad al-Asaad.
Al-Haffa liegt knapp 50 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt im Hinterland der syrischen Hafenstadt Latakia. UN-Beobachter sind nach eigenen Angaben daran gehindert worden, nach Al-Haffa zu fahren. Sie seien von Unbekannten mit Steinen und Stangen angegriffen worden, teilten die Vereinten Nationen mit.
Das syrische Staatsfernsehen berichtete, Fahrzeuge der UN-Beobachter hätten drei Zivilisten überfahren, die sie stoppen und erzählen wollten, wie sie von „bewaffneten Banden terrorisiert“ würden. Menschenrechtsbeobachter befürchten unterdessen neue Massaker in Al-Haffa.
Frankreich sieht Syrien im „Bürgerkrieg“
Der französische Außenminister Laurent Fabius hat den Konflikt in Syrien als „Bürgerkrieg“ bezeichnet. Laut eines ranghohen Vertreters der UN haben die Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition das Ausmaß eines Bürgerkriegs angenommen. Das Außenministerium in Damaskus widersprach der Einschätzung des Chefs der UN-Friedenstruppen, Herve Ladsous. Sie entspreche nicht der Realität.
Frankreich forderte zudem einen kompletten Stopp von Rüstungslieferungen. Paris schließe sich der Forderung des internationalen Syrien-Gesandten Kofi Annan nach einem „kompletten Stopp von Waffenexporten an die syrische Führung“ an, sagte der französische Außenamtssprecher Bernard Valero.
Der deutsche Außenminister Westerwelle bezeichnete die UN-Berichte über die Lage in Syrien als „erschreckend“. Nach UN-Angaben missbrauchten Soldaten Kinder als menschliche Schutzschilde. „Mir geht es darum, dass wir eine politische Lösung in Syrien nicht aufgeben“, sagte der Minister.
Westerwelle warnt vor „Flächenbrand“ in der Region
Westerwelle sieht inzwischen „Flexibilität“ aufseiten Russlands. „Ich erkenne auch erste Bewegungen auf russischer Seite.“ Dem Land kommt in der Auseinandersetzung eine Schlüsselrolle zu. Die UN-Vetomacht Russland ist ein enger Partner des syrischen Regimes von Machthaber Assad. US-Außenministerin Clinton hatte der russischen Regierung zuletzt vorgeworfen, Syrien weitere Helikopter zu liefern, mit denen die Truppen Assads gegen die eigene Bevölkerung vorgehen könnten.
Westerwelle warnte erneut vor einem Flächenbrand in der Region. „Das kann zu einem Stellvertreterkrieg führen mit schrecklichen Folgen“, sagte der Minister. Eine politische Lösung müsse daher mit Nachdruck verfolgt werden. Der UN-Sicherheitsrat solle nichtmilitärische Zwangsmaßnahmen prüfen. (APA/AFP/dpa)