„Tag der Patienten“

Bund, Länder und Kassen feiern Einigung bei Gesundheitsreform

Das österreichische Gesundheitssystem soll künftig besser geplant und damit effizienter werden. Eine entsprechende Vereinbarung haben am Mittwoch Vertreter von Bund, Ländern und Sozialversicherung unterzeichnet.

Wien – Teil 1 der Gesundheitsreform ist mit heute geschafft, am Ziel ist man damit aber noch lange nicht. Bund, Länder und Sozialversicherung haben sich am Mittwoch grundsätzlich darauf verständigt, künftig eine gemeinsame Planung des Gesundheitswesens vorzunehmen und damit Doppelgleisigkeiten zu beseitigen und Kosten zu sparen. Da allerdings noch bis Herbst ausformuliert werden muss, wie das genau funktionieren soll, sieht Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (VP) die Verhandler erst in „der Mitte der Strecke“.

„Tag der Patienten“, „Mauer niedergerissen“

Das hinderte die Steuerungsgruppe aus Bund, Ländern und Sozialversicherung freilich nicht, die Grundsatzverständigung fast triumphal zu feiern. Am Weitesten ging der Präsident des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, Hans-Jörg Schelling, der den heutigen Tag quasi schon zum Feiertag erhob. Der 13.6. werde in fünf Jahren der „Tag der Patienten“ genannt werden. Die übrigen Verhandler wollten da nicht zurückbleiben. Mauern seien niedergerissen worden, jubelte die Wiener Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ), die Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse Ingrid Reischl meinte, dass mit der Zusammenführung .

Finanzministerin Fekter würdigte, dass die Grundsatzvereinbarung Ergebnis einer „Reformpartnerschaft“ sei. Das Gesundheitswesen werde damit nicht nur abgesichert sondern auch dessen Finanzierung sichergestellt. In die gleiche Kerbe schlug Gesundheitsminister Stöger. Das Gesundheitssystem werde gestärkt und trotzdem sehr sorgsam mit dem Geld umgegangen werden. Er wolle, dass Österreich nie in eine Situation wie Griechenland komme, wo es bereits Probleme mit der medizinischen Versorgung gibt.

„Virtuelles Budget“ als neuer Zaubercode

Kernpunkt der Reform ist, dass die Steuerung von Spitals- und niedergelassenem Bereich künftig gemeinsam erfolgen soll. Dies soll über ein „virtuelles Budget“ erfolgen, in dem die Gelder der jeweiligen Player (Bund, Länder, SV) zusammenfließen. Im Anschluss soll gemeinsam entschieden werden, in welchem Bereich die Mittel eingesetzt werden. Bisher war es so, dass die Länder zum größten Teil die Spitäler finanziert haben und die Sozialversicherung den niedergelassenen Bereich. Dies führte einerseits zu Doppelstrukturen und andererseits dazu, dass die Länder versuchten, die Kosten möglichst aus dem eigenen Bereich in die Praxen zu verschieben und die Kassen umgekehrt die Patienten in die Krankenhäuser.

Um diese „egoistische“ Vorgangsweise zu beenden, sollen nun die Mittel über die Landesgesundheitsplattformen gemeinsam vergeben werden. Da steckt allerdings der Teufel im Detail. Die genauen Regelungen sollen erst im Rahmen einer 15a-Vereinbarung bis Oktober festgelegt werden. Ziel ist ein Inkrafttreten der Neuregelung mit Anfang kommenden Jahres.

Einsparungen und Sanktionen

Neu ist, dass die Ausgabensteigerung künftig das Wirtschaftswachstum nicht mehr übersteigen soll. Dieses Ziel soll schrittweise bis 2016 erreicht werden. Da soll ein Wert von 3,6 Prozent erreicht sein und dieser auch für die Jahre danach die Ausgabengrenze bilden. Wie im Stabilitätspakt gibt es Ausnahmen, sollten außergewöhnliche Ereignisse eine Überschreitung notwendig machen.

Werden die Ziele nicht eingehalten, kann es künftig Sanktionen geben. Wird das Kostendämpfungspotenzial der Länder nicht erbracht, sind die Kostendämpfungsziele zwingend im darauffolgenden Jahr zu erbringen, andernfalls tritt der Sanktionsmechanismus in Kraft.

Erhofft wird von den Vertragspartnern, dass mit der besseren Koordinierung auch ein gehöriger Einsparungseffekt erzielt wird, ohne die medizinische Versorgung zu beeinträchtigen. Als Zielwert bis 2016 sind 1,3 Milliarden Euro angegeben. Bis 2020 will man dann schon bei fast 2,5 Milliarden pro Jahr sein.

Nicht umfasst von Einigung ist die Spitalsorganisation insgesamt. Der Plan Stögers, hier bundeseinheitliche Vorgaben zu machen, ist fürs erste im Widerstand der Länder versickert.

Scharfe Kritik der Ärztekammer

Die paktierte Gesundheitsreform wird den Österreichern nicht wohl bekommen. Diese Einschätzung trifft zumindest die Ärztekammer, deren scheidender Präsident Walter Dorner eine verschlechterte Versorgung für die Patienten befürchtet. Kritik an den Plänen kommt auch von FPÖ und BZÖ, während die Wirtschaftskammer Lob spendet.

Dorner missfällt, dass bei der Reform finanzpolitische Ziele in den Vordergrund gestellt würden. Die Pläne dienten in erster Linie der Entlastung der Länderbudgets und würden mittelfristig den niedergelassenen Bereich aushöhlen, befürchtet der Ärztechef in einer Aussendung. Die bewährte Partnerschaft zwischen Ärzten und Sozialversicherungen werde de facto aufgekündigt, ein von der Politik diktierter Stellenplan würde die Vertragsfreiheit ersetzen.

Überhaupt nichts hält Dorner von der Koppelung des Gesundheitsbudgets an das Bruttoinlandsprodukt: „Was passiert in Zeiten von Wirtschafts- und Finanzkrisen? Stagniert dann auch die medizinische Versorgung?“, fragt sich der Kammer-Chef.

Kritik von FPÖ und BZÖ

FPÖ-Ärztesprecher Andreas Karlsböck sieht in den Reformplänen die „Einführung einer beinharten unsozialen Zweiklassenmedizin“. Was heute präsentiert wurde, ist für ihn „die bislang tödlichste Stümperei der Regierung“. Denn die „Ausgaben-Obergrenzen“ seien nichts anderes als eine beinharte Deckelung der medizinischen Leistungen: „Gegen Ende des Jahres ernsthaft krank zu werden, kann zukünftig tödlich sein. Nämlich dann, wenn für die notwendige Behandlung die vorgesehenen Mittel bereits ausgegeben sind“, unkt Karlsböck in seiner Aussendung.

Für das BZÖ erkannte dessen Gesundheitssprecher Wolfgang Spadiut hingegen gleich gar keine Reform. Es handle sich lediglich um einen erneuten Kniefall Gesundheitsminister Alois Stögers (S) vor den Bundesländern, weshalb auch keine zukunftsweisende Spitalsreform in Sicht sei. Stöger werde als „Ankündigungsminister ohne Umsetzung“ in den politischen Annalen Platz finden.

Wirtschaftskammer zufrieden

Lobende Worte fand dagegen Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl. Mit der gemeinsamen Planung und Steuerung von Bund, Ländern und Sozialversicherung und der Begrenzung der Spitalskosten am Wirtschaftswachstum sei das Ziel eines effizienteren Mitteleinsatzes „einen großen Schritt näher gerückt“, erklärte er in einer Aussendung und forderte gleichzeitig eine rasche Umsetzung, damit die Reform wie geplant mit 2013 ihre Wirksamkeit entfalten kann.

Mehr dazu sowie einen Leitartikel von TT-Redakteurin Cornelia Ritzer können Sie in der Donnerstagsausgabe der Tiroler Tageszeitung lesen.