Kantine, Küsse, Konferenzen
30 Prozent der Beziehungen in Österreich entstehen am Arbeitsplatz. Doch die Büro-Turteleien verlaufen nicht immer reibungslos. Die Arbeitspsychologin Cornelia Schallhart erklärt, an welche sozialen Regeln man sich halten sollte.
Von Judith Sam
A n fünf Tagen in der Woche befinden Sie sich in einer der erfolgreichsten Partnerbörsen. Das glauben Sie nicht? Doch, denn am Arbeitsplatz entsteht jede dritte Beziehung. Kein Wunder, denn Kollegen sieht man öfter als Freunde und Familie. Allerdings sind die Romanzen zwischen Kantine und Konferenzzimmer nicht immer einfach zu handhaben.
2005 etwa wollte der Handelskonzern Wal-Mart eine Ethikrichtlinie durchsetzen, die Beziehungen von Personen unterschiedlicher Hierarchieebenen untersagte. Dies verstieß jedoch gegen das heimische Grundgesetz. Es gibt in Österreich keine rechtliche Richtlinie, die besagt, dass man mit Kollegen oder Chefs nichts anfangen darf. Leidet die Arbeit allerdings unter der amourösen Ablenkung, kann der Vorgesetzte ein Mitarbeitergespräch führen oder einen der Verliebten versetzen.
„Um dem vorzubeugen, sollte man sich an gewisse soziale Regeln halten“, schildert die Innsbrucker Arbeitspsychologin Cornelia Schallhart. Wenn beide Partner damit einverstanden sind, wäre es ratsam, die Kollegen und Chefs über die Beziehung zu informieren. „Das verhindert den Stress, den man empfindet, wenn man die junge Liebe verheimlichen muss.“
Gesteht man den Kollegen die Liaison, reagierten sie meist positiver, als wenn sie über Umwege davon erfahren. Außerdem wäre offenes Verhalten den Kollegen gegenüber einfach fairer. Optimal wäre es, für das Liebesgeständnis eine Situation abzupassen, in der die Vorgesetzten und die Kollegen gleichzeitig anwesend sind.
„Auch wenn alle informiert sind, besteht immer noch das Problem, dass manche Büro-Nachbarn gereizt und neidisch reagieren könnten“, gibt Schallhart zu bedenken. Man sollte also etwa Kosenamen meiden. Und natürlich ist es verpönt, sich im Büro physisch zu nahezukommen – Sex am Arbeitsplatz wäre sogar Erregung öffentlichen Ärgernisses und ist damit rechtlich verboten.
„Auch sollte man bedenken, dass für Frauen und Männer unterschiedliche Spielregeln beim ‚Flirt am Kopierer’ gelten“, ergänzt Schallhart. Männern würde meist mehr Toleranz entgegengebracht – besonders nach dem Ende einer Romanze. „Ich habe manchmal erlebt, dass Männer nach dem Scheitern einer Beziehung recht ungestört am gewohnten Arbeitsplatz weiterarbeiten. Frauen hingegen befinden sich oft in einem beruflichen Abhängigkeitsverhältnis. Ihnen wird nicht selten nahegelegt, den Job zu wechseln“, weiß die Psychologin. Besonders bei einer Liaison mit einem Vorgesetzten gilt der Mann oft als toller Hecht, die Frau hingegen als Flittchen, auf der Suche nach raschen Aufstiegsmöglichkeiten. „Ganz schwierig wird es, wenn etwa der Mann auch der Chef der Firma und die Frau nur angestellt ist“, beschreibt die Innsbruckerin. Dann könnte die Frau mitunter mit dem Ende der Beziehung auch den Job verlieren.
Was die Arbeitsleistung anbelangt, spalten sich die Meinungen. Während manche Chefs davon überzeugt sind, dass die Verliebten bei der Arbeit zusätzlich motiviert sind, sehen die anderen in den hormongeleiteten Rosa-Bebrillten eher ein Handicap. „Während der Arbeitszeit Liebesschwüre via Mail auszutauschen, sollte man meiden“, rät Schallhart. Auch besteht die Gefahr, zuhause Berufsinterna auszuplaudern, die den Partner im Grunde nichts angehen.
„Ich rate meinen Klienten immer, sich im Büro so anständig zu verhalten, wie sonst in der Öffentlichkeit – etwa beim Busfahren. Wenn sie dann noch ehrlich miteinander und mit den Kollegen sind, kann eigentlich nicht viel schiefgehen.“ Und oft seien die Ex-Partner fürs Leben nach der Beziehung sogar ausgesprochen gute und hilfsbereite Kollegen.