Natur

Fall Azra: Tiroler Ärztekammer fordert faires Verfahren

Die öffentliche Vorstellung eines Privatgutachtens sei ein „Versuch zur medialen Vorverurteilung“, bemängelt Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger.

Innsbruck - Nach dem Tod des dreijährigen Mädchens Azra im Oktober 2011 in der Innsbrucker Kinderklinik hat die Tiroler Ärztekammer am Donnerstag die Veröffentlichung eines Privatgutachtens kritisiert. Das sei als „Versuch zur medialen Vorverurteilung“ zu werten, bemängelte der Präsident der Standesvertretung, Artur Wechselberger, in einer Aussendung: „Es ist Aufgabe unabhängiger Gerichte, festzustellen, ob Behandlungsfehler vorliegen und wie weit diese den fatalen Behandlungsverlauf herbeigeführt und beeinflusst haben.“ Die Expertise war am Dienstag vom Anwalt der Familie präsentiert worden.

Er hege „arge Bedenken“, wie sich die Veröffentlichung auf den Prozessverlauf und die Objektivität der Beteiligten auswirkt, betonte Wechselberger. Die Ärztekammer erhob in der Aussendung überdies die Forderung nach einem fairen Verfahren und einer „unbeeinflussten richterlichen Würdigung von Gutachten“.

Der Anwalt der Familie, Thomas Juen, hatte das von der Tiroler Arbeiterkammer (AK) bezahlte Gutachten des Berliner Anästhesisten Jochen Strauß am Dienstag veröffentlicht. Der Sachverständige habe darin schwere Behandlungs- und Organisationsfehler attestiert, die letztlich zum Tod des Kindes geführt hätten. Unter anderem sei der Einsatz des Narkosemittels Propofol kontraindiziert gewesen und außerhalb der Zulassung erfolgt.

Tilak schreibt an die Mitarbeiter

Die Tilak-Geschäftsleitung hält die Vorgehensweise der AK Tirol als bedenklich. In einem Schreiben an die Mitarbeiter heißt es: „Die Veröffentlichung eines bestellten Privatgutachtens dient mit Sicherheit nicht der Qualitätssteigerung der Klinik. Im Gegenteil: In einer regelrechten Kampagne wird die Verunsicherung in der Bevölkerung weiter geschürt.“

In zivilrechtlicher Hinsicht habe die Tilak alle Forderungen der Familie schon vor geraumer Zeit erfüllt und an die Familie ausbezahlt, schreibt die Geschäftsleitung. Was bleibe sei die strafrechtliche Aufarbeitung der Geschehnisse. „Die Presseaktivitäten von AK Tirol und Dr. Juen (dem Anwalt der Familie, Anm.) dienen also nur einer Stimmungsmache und öffentlichen Vorverurteilung. Es wird offensichtlich versucht, laufende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu beeinflussen.“

Den Angaben der Tilak widerspricht Anwalt Thomas Juen. „Die Forderungen der Familie wurden nicht zur Gänze erfüllt. Es geht im Konkreten Fall nicht um Stimmungsmache, sondern um Aufklärung. Den unberechtigen Vorwurf, man wolle laufende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft beeinflussen, weise ich entschieden zurück“, erklärte der Anwalt der Familie gegenüber der Tiroler Tageszeitung am Telefon.

(APA/tt.com)