Die Kandidaten

Schicksalswahl: Wer kann die Griechen aus der Misere führen?

Die Wahl am Sonntag ist die richtungsweisendste in der jüngeren Geschichte Griechenlands. Doch wer sind die Hauptakteure der Parteien und wofür stehen sie?

Athen - Die Parlamentswahlen in Griechenland am 17. Juni werden von Kommentatoren in ganz Europa zu einem Referendum über den Verbleib des Staates in der Eurozone hochstilisiert. Der nächsten Regierung des hoch verschuldeten Landes bleiben nur wenige Wochen, um weitere Sparmaßnahmen auf den Weg zu bringen und das Vertrauen der EU-Partner zu gewinnen. Andernfalls stehen die Hilfskredite von EU und IWF auf dem Spiel.

Ob nun die Gegner oder die Befürworter des Sparkurses die Wahl gewinnen - am Ende wird das griechische Schicksal davon abhängen, ob es den Spitzenkandidaten der wichtigsten Parteien gelingt, eine funktionstüchtige Regierung auf die Beine zu stellen. Doch wer sind eigentlich die innenpolitischen Hauptakteure? Ein Überblick:

Antonis Samaras - Der sture Konservative

Er ist groß und schlank, und er besteht auf seiner Meinung. Manchmal solange, dass es kontraproduktiv wird. Der Chef der konservativen Partei Neuen Demokratie (ND) lenkt nur dann ein, wenn er sieht, dass es um die Zukunft seines Landes geht. Mehrfach musste der 60-Jährige deswegen in seiner politischen Laufbahn zurückstecken. Als charismatisch gilt Samaras nicht. „Er kann die Massen nicht bewegen“, sagen seine Kritiker. Das ist zurzeit ein großer Nachteil, denn mit Alexis Tsipras von den radikalen Linken steht ihm ein geschickter Taktiker und guter Redner gegenüber.

In der größten Krise des Landes hatte Samaras der Bildung einer Regierung unter dem parteilosen Finanzexperten Lucas Papademos zugestimmt. Er billigte das harte Sparprogramm für Griechenland - der Rückhalt für seine Partei bröckelte. Bis Anfang Mai war er sich zudem sicher, dass er vorgezogene Wahlen haushoch gewinnen würde. Er bestand auf seiner Meinung und forderte Neuwahlen. Was folgte, war am 6. Mai eines der schlechtesten Wahlergebnisse in der Geschichte seiner Partei - dennoch wurde die ND stärkste Kraft im Parlament.

Samaras wurde am 23. Mai 1951 als Spross einer reichen Familie in Athen geboren. Als junger Mann glänzte er mit sportlichem Elan und wurde griechischer Jugend-Tennismeister. Dann schickte ihn seine Familie in die USA zum Studieren. Dort lebte er im Internat eine Weile mit dem späteren sozialistischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou in einem Zimmer zusammen. Danach ging es weiter nach Harvard. 1977 kehrte er nach Griechenland zurück und wurde gleich als 26-Jähriger ins Parlament gewählt. 1992 verließ er als Außenminister die ND, um seine eigene rechtsstehende Partei POLA („Politischer Frühling“) zu gründen, die bei den Wahlen 1993 fünf Prozent der Stimmen bekam, bei den Europawahlen ein Jahr später fast neun Prozent, dann aber in die Bedeutungslosigkeit fiel. Samaras kehrte 2004 in die ND zurück, deren Führung er 2009 übernahm, um seine - nunmehr zurückgekehrte - Kontrahentin Dora Bakoyannis ausschließen zu lassen. Samaras ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Alexis Tsipras - Vom Studentenführer zum Premier?

Er ist jung und dynamisch, er wirkt frech und manchmal auch arrogant. Bisher kann er sich das leisten: Dem politischen Senkrechtstarter ist es gelungen, das heterogene Bündnis der radikalen Linken (SYRIZA) von 4,5 Prozent (2007) auf stolze 16,8 Prozent (2012) zu bringen. Zuletzt hatten immer die Traditionsparteien ND (Konservative) und PASOK (Sozialisten) das Rennen unter sich ausgemacht. Diesmal könnte sie Tsipras überrunden und es sogar zum Ministerpräsidenten schaffen.

Seine politische Laufbahn begann er als Studentenführer in den 90er Jahren, stieg dann schnell bis an die Spitze der SYRIZA auf, die sich aus dem linkssozialistischen Synaspismos und verschiedenen marxistischen Gruppen bildete. 2004 wurde Tsipras zum Vorsitzenden von SYRIZA gewählt. Das Bündnis sieht sich als Schwesterpartei der deutschen Partei Die Linke.

Der 37-Jährige hat viele Gesichter. Mal spricht er wie ein Kommunist und will die Verstaatlichung der Produktionsmittel. Dann präsentiert er sich in der Art des US-Menschenrechtlers Martin Luther King, spricht von seinem Traum, dass alle Griechen eines Tages gleiche Rechte genießen. Vor dem heimischen Publikum geißelt er das Sparprogramm und verspricht, es abzuschaffen. Wenn er mit ausländischen Diplomaten redet, spricht er von Reformen, die auch seine Partei für unbedingt notwendig halte. Er ist verheiratet und hat ein Kind.

Evangelos Venizelos: Er kämpft ums politische Überleben

Er ist groß, stark und sichtlich ein Freund guter Küche. Doch die Übernahme der Führung der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (PASOK) ist Evangelos Venizelos nicht gut bekommen. Eine Entschuldigung hat er aber: Sein Vorgänger Giorgos Papandreou hatte ihm einen Scherbenhaufen hinterlassen. Unter ihm erlitt die einst starke PASOK eine Bruchlandung - nach 44 Prozent (2009) gerade noch 13,2 Prozent (2012). Doch Venizelos will jetzt nicht aufgeben. Bei der Wahl am 17. Juni kämpft er ums Überleben seiner Partei. Er hat bereits angekündigt, er werde nach den Wahlen, egal welches Ergebnis er einfährt, die Partei von Grund auf erneuern.

Der 55-Jährige wird als Mann der Tat beschrieben, der sich durchsetzen könne, spontan, mitunter impulsiv und sprachgewandt. In den vergangenen zwei Jahrzehnten diente er in verschiedenen sozialistischen Regierungen: als Justizminister, Regierungssprecher, Kulturminister, im Kabinett von Papandreou als Verteidigungsminister. Als wegen der schweren Finanzkrise alles zusammenzubrechen drohte, holte ihn Papandreou ins Finanzministerium.

Der Jurist ist einer der bekanntesten griechischen Verfassungswissenschaftler, Professor an der Universität der Hafenstadt Thessaloniki. Dort wurde er am 1. Jänner 1957 geboren. Venizelos stammt aus armen Verhältnissen. Er ist verheiratet und hat eine Tochter.

Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet

Nachdem Tspiras zuletzt mit der einseitigen Aufkündigung der griechischen Staatsschulden drohte und eine Neuverhandlung der Sparauflagen mit der EU forderte, schnellten die Umfragewerte des Linksbündnisses wieder in die Höhe. Die Wahl am 17. Juni dürfte nun ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Konservativen werden. Die absolute Stimmenmehrheit ist in Griechenland besonders bedeutungsvoll. Denn der Wahlsieger erhält ganze 50 Bonus-Sitze im Parlament.

Während sowohl Tsipras als auch Samaras auf eine eigene Mehrheit hoffen, liegen die Sozialisten in Umfragen weit abgeschlagen zurück. Ob sich unter diesen Vorzeichen eine Pro-Sparkurs-Mehrheit doch noch ausgeht und Griechenland damit weiter bereit sein wird die EU-Auflagen zu erfüllen, wird sich am Sonntag zeigen. TT.com wird am Sonntag in einem Live-Ticker über das Wahlgeschehen berichten.

(tt.com, APA/dpa)