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Unsere verspielte Sprache

Drei der „spielerischen Wortschätze“: „Nur eine Schachfigur sein“, „Spielregeln aufstellen“ und „Ein Ass im Ärmel haben“.Zeichnungen: Michael Feldhofer
© thomas boehm

Der Mensch war schon vom Spielen fasziniert, als er noch in Höhlen hauste. Ein Grazer Germanist hat nun 279 geflügelte Worte gesammelt, die aus der Welt des Spiels stammen.

Von Christian Willim

Innsbruck –Bis kurz vor Abgabetermin hat Jürgen Ehrenmüller seine Diplomarbeit um Redewendungen ergänzt. Und er weiß, dass es noch viele spielerische Wortschätze in der deutschen Sprache zu heben gäbe: „Ich musste mir ein zeitliches Limit setzen. Es gibt zum Beispiel sicher noch sehr viele Dialektbegriffe aus dem Bereich des Spiels.“ Mit 279 Wörtern und Redewendungen kann sich die Sammlung des 25-Jährigen aber auch so sehen lassen. „Dass es derart viele geworden sind, hat mich schon überrascht. Wobei es eigentlich nicht verwunderlich ist. Jeder kennt das Spiel.“ Und da deshalb die dahinterstehenden Mechanismen allgemein verständlich sind, würde das Spiel eben auch gut für Sprachbilder taugen.

Jeder weiß etwa, was ein „Bluff“ ist. Jeder kann sich vorstellen, wie ein Gebäude wie ein „Kartenhaus“ zusammenstürzt oder hat ein Bild vor Augen, wenn vom „Jo-Jo-Effekt“ die Rede ist. Bei einigen der von Ehrenmüller zusammengetragenen Wörter ist indes auf den ersten Blick gar nicht ersichtlich, dass sie aus der Welt des Spiels entlehnt sind. Das gilt etwa für „zuschanzen“. „Das hat nichts mit der Schanze zu tun“, stellt der Studienassistent vom Institut für Germanistik an der Uni Graz klar. „Schanzen“ ist im 16. Jahrhundert entstanden. Vom französischen „Chance“ entlehnt, meinte man damals „Glücksspiel betreiben“. Im Zuge der jüngsten Korruptionsskandale dürfte das Wort wieder Hochkonjunktur haben. Denn im modernen Sprachgebrauch bedeutet es schlicht: „Jemandem ohne seinen Verdienst einen Vorteil zuwenden.“

An diesem Beispiel zeigt sich auch: „Mit dem Gebrauch von Spielmetaphern lassen sich Sachverhalte verharmlosen. ‚Casino-Mentalität‘ klingt ganz nett, sie kann aber Finanzkrisen auslösen“, so Ehrenmüller. Das würden sich Politiker immer wieder gerne zu Nutze machen. So habe der Ex-US-Präsident zum Beispiel vor dem Beginn des Irak-Kriegs an die Adresse von Saddam Hussein gemeint: „The Game is over“. Der junge Forscher gibt zu bedenken: „Wer bei einem Spiel stirbt, steht wieder auf. In einem echten Krieg ist das nicht der Fall.“

Auf einen Krieg geht auch eine der ältesten Redewendungen zurück, die Ehrenmüller gesammelt, in eine Datenbank (siehe Infobox) aufgenommen und dort mit Erklärungen versehen hat: „Die Würfel sind gefallen.“ Damit soll Julius Caesar 49 v. Chr. die Überschreitung des Rubikons mit bewaffneten Truppen kommentiert haben. „Wobei es sich dabei um einen Übersetzungsfehler handelt“, wie der gebürtige Oberösterreicher weiß. Denn eigentlich habe Caesar gesagt: „Der Würfel sei hochgeworfen.“ Und damit gemeint, dass der Ausgang des nun Kommenden nicht vorhersehbar sei.

Viele Sprachbilder wie dieses haben eine lange Geschichte. Es kommen aber auch ständig neue dazu. Den „Toyboy“ z. B. gibt es im deutschen Sprachgebrauch noch nicht besonders lang. Andere verspielte Redewendungen wiederum gibt es nur in Österreich. „Wir haben sehr viele Redewendungen, die aus dem ‚Schnapsen‘ kommen. Etwa das ‚Bummerl haben‘ oder ‚Aus dem Schneider sein.‘“ Das Kartenspiel wurde im 18. Jahrhundert erfunden. Schon sein Name hat eine interessante Geschichte. „Beim Schnapsen wurde ursprünglich um Geld gespielt, was aber später verboten wurde. Darum ist man dazu übergegangen, um ein Getränk zu spielen.“ Und so „schnapsen“ wir uns heute Konfliktpunkte „aus“, statt darüber zu streiten.

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