Ägyptische Islamisten werfen Richtern Putsch vor
Das ägyptische Verfassungsgericht hat am Donnerstag die Parlamentswahlen, die den Islamisten vor einem halben Jahr eine breite Mehrheit brachten, für ungültig erklärt und die Präsidentschaftskandidatur von Ahmed Shafik, dem letzten Premier unter dem im Vorjahr nach dreißigjähriger Herrschaft entmachteten Staatschef Hosni Mubarak, zugelassen. Die Islamisten sprechen von einem „Putsch“.
Der von den Militärs vorgegebene Zeitplan für die Übergangszeit gerät mit der Entscheidung der Höchstrichter durcheinander. Zwei Tage vor der Stichwahl um das Präsidentenamt hat das Verfassungsgericht die Auflösung des von den Islamisten dominierten Parlaments angeordnet und es der vom Obersten Militärrat eingesetzten Übergangsregierung überlassen, Neuwahlen auszuschreiben. Zugleich bestätigte das Gericht die Rechtmäßigkeit der Kandidatur Shafiks und hob das von der islamistischen Parlamentsmehrheit beschlossene Gesetz auf, das die politische Betätigung hoher Funktionsträger des Mubarak-Regimes verbietet.
Der aus der Muslimbruderschaft verstoßene unabhängige Islamist Abdul Moneim Abul Futuh, der in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl ausgeschieden war, kritisierte, dass Shafik nicht ausgeschlossen und stattdessen die Parlamentswahl für ungültig erklärt wurde. Dies sei ein „Putsch“, vor allem da das Militär am Mittwoch beschlossen habe, der Militärpolizei zu erlauben, Zivilisten festzunehmen. Vor dem Sitz des Verfassungsgerichts kam es zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten.
Die USA warnten vor einer Gefährdung des Demokratisierungsprozesses in Ägypten. US-Außenministerin Clinton rief den regierenden Militärrat am Donnerstag (Ortszeit) dazu auf, seine Zusagen einzuhalten.
Die Richter entschieden, das Unterhaus des Parlaments habe seine Legalität verloren, da ein Drittel der Sitze nicht verfassungsgemäß gewählt worden sei. Ein Teil des Wahlgesetzes, das auch Parteimitgliedern die Kandidatur für Sitze unabhängiger Kandidaten erlaubt hatte, sei verfassungswidrig. Das bedeute, dass die Abgeordneten der beiden Kammern des Parlaments neu gewählt werden müssen.
Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt am Samstag und Sonntag kann Shafik nun gegen den Kandidaten der Muslimbrüder, Mohammed Mursi, antreten. Allerdings hat Mursi gute Chancen, die Stichwahl zu gewinnen.