Griechen vor Wahl zwischen Aufbruch und Resignation
Vor der Wahl in Griechenland ist die Unsicherheit groß: Zentralbanken rüsten für ein Börsenbeben, das Vertrauen der Österreicher sackte ab.
Athen, Wien –Es geht um das Sein oder Nichtsein Griechenlands in der Eurozone. Darüber stimmen die Bürger morgen bei der griechischen Parlamentswahl ab. Der radikale Linke, Alexis Tsipras, steht im Zentrum des Politgeschehens. Der 37-jährige Chef der Bündnisses „Syriza“ spielt ein populistisches Spiel: Er will „das alte, korrupte System ein für alle Mal in die Truhen der Geschichte versenken“, kündigt er an. Er erntet viel Beifall, wenn er sagt, dass man das Land nicht mit einem rigiden Sparprogramm retten könne, das die Wirtschaft abwürge und jeden vierten Griechen arbeitslos gemacht habe. Ohne striktes Sparprogramm drohen jedoch die dringend benötigten Hilfsgelder auszubleiben, dann wäre das Land schon in drei Wochen pleite.
Das linksradikale Bündnis bekommt viel Zuspruch von den Wählern. „Wir haben nichts zu verlieren, ich habe keine Angst vor Drohungen, dass wir aus der Eurozone hinausgeschmissen werden“, sagt etwa die 24-jährige Maria Z. aus Athen. Sie erlebt wie viele Griechen ihren persönlichen Bankrott: Ihre Eltern haben keine Arbeit, sie und ihr Bruder schlagen sich mit Aushilfsjobs durch. In vielen Athener Stadtvierteln leben Zehntausende illegale Migranten neben obdachlosen Einheimischen, die Kriminalität ist stark angestiegen.
„Tsipras und sein buntes Linksbündnis haben als geheimes Ziel, Griechenland aus der Eurozone zu führen“, warnt Alexis Tsipras‘ schärfster Konkurrent, der Konservativenchef Antonis Samaras. Der Sozialist Evangelos Venizolos fordert eine „Regierung der nationalen Verantwortung“ und setzt auf Konsens: „Wir verlieren wertvolle Zeit, wenn wir streiten.“
Der griechische Staat bröckelt langsam auseinander. Apotheken geben Medikamente nur noch gegen Bargeld ab. Die Angst um das Ersparte bringt die Menschen dazu, ihr Geld aus den Banken abzuziehen – mehrere hundert Millionen täglich. Die Arbeitslosenquote ist bereits auf 22,6 % geklettert – das ist der höchste Stand in der Geschichte des Landes. Die Stimmung ist schwierig einzuschätzen. Die Resignation ist groß.
Auch Bruno Freytag, der österreichische Außenwirtschaftsdelegierte in Athen, äußert sich pessimistisch über die Zukunft der griechischen Wirtschaft. Das Land sei kaum wettbewerbsfähig, sagt er, die Reformen seien fast komplett zum Stillstand gekommen.
Das Vertrauen der Österreicher gegenüber Griechenland befindet sich auf historischem Tiefststand: Laut dem APA/OGM-Vertrauensindex liegt Griechenland hinter anderen Schuldenkrisen-Staaten auf dem letzten Platz. Die skandinavischen Länder und die Niederlande, gefolgt von Großbritannien, Belgien und Frankreich, genießen das größte Vertrauen der Österreicher.
Selbst die internationale Politik und die Notenbanken scheinen das Vertrauen in Griechenland verloren zu haben. Sollte der Wahlsieg der Sparverweigerer ein Börsenbeben auslösen, stehen die Zentralbanken für konzertierte Finanzspritzen Gewehr bei Fuß. EZB-Boss Mario Draghi kündigte an, den Banken weiter Liquidität zur Verfügung zu stellen. (bea, dpa, Reuters)