Aus dem Chaos Ordnung erzeugen
Postdramatischer Schwindel: Heute feiert die Oper „Akhtamar“ im Treibhaus Premiere. Was einen erwartet? Koordinierte Zufälle.
Innsbruck –Unter dem Wort „postdramatisch“ fasste der Frankfurter Theaterwissenschafter Hans Thies Lehmann Ende der neunziger Jahre all jene zeitgenössischen Tendenzen der internationalen Theaterlandschaft zusammen, die sich sonst kaum unter einen Hut bringen ließen. Damals war das Wort in aller Munde – gewissen galt es gar als Antwort auf alles. Mittlerweile hat das Attribut stark an Zugkraft verloren, aus dem zeitgeistigen Theoriesprech verschwindet es zusehends – ein Relikt aus einer Zeit, in der alles, was etwas galt, mit dem Präfix „post“ versehen sein musste. Gänzlich ironiefrei lässt sich das Wort heute nicht mehr verwenden.
Das scheint auch dem Architekten und Künstler Ekehardt Rainalter bewusst zu sein. Rainalter ist Mitglied des Kollektivs „columbusnext“. Zusammen mit einer Gruppe von jungen Mitarbeitern arbeitet er zurzeit im Treibhaus an „Akhtamar“, einer – so jedenfalls der Untertitel – 2000-jährigen Oper. Es ist Rainalters erste Theaterarbeit. Und sie ist postdramatisch, sagt er. „Dramatisch im umgangssprachlichen Sinn: Es ist alles nicht so dramatisch“, fügt er im Gespräch mit der TT hinzu. „Akhtamar“, das nach einer armenischen Zigarettenmarke benannt ist, ist eigentlich ein Vorwand. „Es ist ein Scheingefecht“, erklärt Rainalter, „das wir uns zusammengebaut haben, damit wir ernsthaft Arbeiten können. Ein Versuch, das für Innsbruck zu adaptieren, was die Quotenfreaks der Theaterwelt, Schlingensief zum Beispiel, vorgedacht haben: Zufälle sammeln und aus dem Chaotischen eine Ordnung ableiten.“
„Akhtamar“ spielt in einer nicht allzu fernen Zukunft. Es geht um Kommunikation und Eskapismus, um Diktatur und Widerstand, kurz: Es geht um alles – und um nichts. „Während der Aufführung kann alles passieren. Es gibt zwar einen genauen Rahmen, aber auch viel Platz, um auszuscheren“, erklärt Rainalter.
Das Treibhaus wird dabei zum offenen Opernhaus. Bespielt werden in erster Linie der Keller sowie Teile des Turms. Vor allem für den Keller haben Rainalter und sein Team ein ausgeklügeltes Raumkonzept mit verwinkelten Wegen und Rampen erdacht, das mehr Installation als Bühnenbild ist. Zudem wird mit Videos und – wie es sich für eine Oper gehört – mit Live-Musik und Tanzeinlagen gearbeitet. (jole)